Nickelrausch im hohen Norden - Umweltzerstörung inklusive

Im lappländischen Västerbotten kämpfen samische Ureinwohner gegen ein Bergbauprojekt

  • Anna Lehmann, Umeå
  • Lesedauer: 7 Min.
Eine geplante Nickelmine im südlichen Lappland wird zum Schauplatz des Kampfes der Sami-Urbevölkerung gegen die Bergbaunation Schweden. Die Sami haben jetzt die UNO angerufen.

»Dort wollten wir unser Haus bauen.« Marie Persson zeigt auf eine bewaldete Stelle am Ufer des Stausees Gardiken. Auf dem Land ihrer Großeltern sollten auch ihre Kinder aufwachsen. Damals vor sieben Jahren war Marie Persson, Tochter eines Sami-Vater und einer schwedischen Mutter, schwanger und suchte mit ihrem Verlobten ein schönes Fleckchen zum Hausbau. Das Gebiet Rönnbäcken unweit des Wintersportorts Tärnaby im südlichen Lappland schien in jeder Hinsicht ideal.

Doch es kam anders. Als die Firma Nickel Mountain, eine Tochter der norwegischen Aktiengesellschaft IGE Ressources, wenig später mit Ingenieuren und Lastwagen anrückte und probeweise nach Nickel bohrte, war Persson beunruhigt. Je gründlicher sie sich in das Minenprojekt vertiefte, desto größer wurde ihr Misstrauen. Sie stellte Fragen, fuhr zu Treffen der Bergbauindustrie und gründete ein Netzwerk, um den geplanten Tagebau zu stoppen. »Heute ist der Kampf gegen die Mine meine Hauptbeschäftigung«, sagt sie spöttisch. »Fast eine Obsession.« Auch an diesem Tag ist sie unterwegs zur Insel Rönnbäcksnäset, wo eine der Gruben geplant ist. Ihr Vater steuert das Boot, Marie Persson erzählt, was sie schon hundertfach erzählt hat - von Umweltzerstörung, Ausbeutung und Kolonialisierung der Sami. Ihre Aufträge als Grafikdesignerin bleiben liegen.

Man könnte in ihr einen weiblichen Don Quichote sehen. Jünger und hübscher als der hagere Ritter, aber ebenso verloren wirkend wie jener beim Kampf gegen die Windmühlen. Stemmt sie sich doch nicht nur gegen die Bergbauindustrie, sondern auch gegen den schwedischen Staat.

Im globalen Wettrennen um Ressourcen will das rohstoffreiche Schweden die Anzahl seiner Minen bis 2020 verdoppeln. Neue sollen vor allem im Norden entstehen, wo Sami seit Jahrhunderten Rentiere halten. Das Land ist karg, Tiere und Hirten müssen weite Strecken zurücklegen, um Futter zu finden. »Es ist wichtig, dass die Ausweitung der Bergbauaktivitäten im Konsens mit anderen Werten und Branchen stattfindet.« So steht es in der Bergbaustrategie, die Schweden zu Jahresbeginn präsentierte. Doch keine sechs Monate später kündigte die konservativ-liberale Regierung den Konsens.

In einer Grundsatzentscheidung wies sie im August alle Klagen der Sami-Hirten gegen die geplante Mine in Rönnbäcken zurück. »Das nationale Interesse an wertvollen Mineralien sollte Vorrang haben«, heißt es. Die Sami, die immer wieder gegen die Zerstörung ihrer Weideflächen durch Bergbauunternehmen protestieren, haben Schwedens Regierung im September vor dem UN-Antirassismusausschuss verklagt.

Das Boot tuckert über den Stausee, den es hier gibt, seit das Tal in den 1950er Jahren für ein Wasserkraftwerk geflutet wurde. Die ansässigen Sami wurden umgesiedelt. Die Insel Rönnbäcksnäset, die damals noch eine Landzunge war, ist seitdem verlassen. Grün bewaldet ragt sie aus dem Wasser, der Himmel wölbt sich blau darüber.

Nickel Mountain plant, hier jährlich 26 000 Tonnen Nickel zu schürfen. Teile der Insel und zwei Berge am Ufer sollen abgetragen und drei bis zu 70 Hektar große und 350 Meter tiefe Löcher gebuddelt werden, um das Erz aus dem Boden zu holen. Nicht einmal zwei Tausendstel davon ist Nickel, der größte Teil Schutt. Den will Nickel Mountain zusammen mit der Schlacke im Stausee verklappen. Eine Mondlandschaft entstünde. Nach 25 Jahren wären die Vorkommen erschöpft. In einem von der Bergbaufirma in Auftrag gegebenen Gutachten heißt es: »Die Auswirkungen auf die Umwelt werden als gering erachtet. Die Landschaft kann rekultiviert werden.« Mit Ausnahme der Stelle, wo die Rückstände eingelagert werden: »Dort wird das Fischen für immer unmöglich sein.«

Es gibt Einwohner, die denken, dass dies ein geringer Preis wäre gemessen an den Vorteilen, die die Mine brächte. Tomas Mörtsell, Gemeindebürgermeister von Storuman, ist sogar sicher, dass die Mehrheit der 6000 Gemeindemitglieder so denkt: »Wenn die Nickelmine kommt, ist das hier der größte Arbeitgeber.« Mörtsell war gerade auf Elchjagd und trägt noch sein neonfarbenes Käppi, das die anderen Jäger davon abhalten soll, ihn versehentlich zu erschießen. Der Abgeordnete der liberalen Bauernpartei hatte, als er sein Amt antrat, angekündigt, etwas zu wagen, anstatt nur zu sparen. Bis zu 550 neue Jobs könnten entstehen, rechnet er vor. Und hofft, dass sich die Arbeiter dann auch in Storuman niederlassen. »Wir brauchen hier mehr Familien.« Vier Schulen betreibt die Gemeinde, zwei davon stehen laut Mörtsell auf der Kippe. »Wenn sie geschlossen werden, müssten manche Kinder drei Stunden täglich mit dem Bus fahren.« Die Entscheidung ist vertagt, die Gemeinde will erst mal abwarten, ob die Nickelmine kommt.

»Abwarten?«, Marie Persson schnaubt. »Mörtsell tut alles für die Mine. Nickel Mountain konnte sich doch zurücklehnen.« Vater und Tochter haben das Boot am Ufer vertäut und stapfen über einen Teppich aus Beeren zum höchsten Punkt der Insel. Schwarze Köttel zeugen von den Rentieren, die hier im Winter weiden.

Die Aussicht ist herrlich. Der Stausee ist in ein Netz von Wasseradern eingewoben und mit dem Umeälven verbunden, der quer durch Västerbotten fließt und bei der 100 000-Einwohner-Stadt Umeå ins Meer mündet. Um dieses Wasser von den toxischen Rückständen der Nickelgewinnung abzuschirmen, plant Nickel Mountain große Dämme im Stausee. Die Sami-Hirten und ihre Rentiere sollen laut Unternehmensangaben dann einen Umweg gehen und würden von der Firma entschädigt.

»Nickel Mountain reduziert uns auf technische Fragen und Geld«, wendet Marie Persson ein. »Aber darum geht es nicht, sondern darum, dass wir entscheiden wollen, wo und wie wir leben.« Weder sie noch ihr Vater haben je Rentiere gehalten.

Marie Perssons Ziel ist es, dass das schwedische Bergbaugesetz geändert wird. Das schützt vor allem die Industrie. »Mit dem Argument des Landesinteresses wird die Ausbeutung der Natur und der Sami legitimiert«, kritisiert sie, nachdem sie das Boot wieder ins Wasser geschoben hat.

»Die Menschen um Marie sind vielleicht etwas zu sehr auf die Interessen der Sami und ihrer Rentiere fokussiert«, meint Birgitta Corin vorsichtig. Die Betreiberin des Tärnaby Fjällhotel klopft sich den Staub von der Hose, sie hat Steine an der Außenwand abgespachtelt. In der Nebensaison, wenn kaum Zimmer belegt sind, ist sie auch Hausmeisterin, Zimmermädchen und Rezeptionistin. Von der Mine im 25 Kilometer entfernten Rönnbäcken würde ihr Hotel profitieren. Das Haus befindet sich direkt an der Hauptstraße; Arbeiter und Ingenieure könnten sich hier einmieten. Trotzdem ist Corin nicht vorbehaltlos für die Mine. Sie sei sogar eher skeptisch, sagt sie und überlegt kurz. »Wenn das Wasser vergiftet wird, dann ist es das nicht wert.« Dann würde sie lieber in Kauf nehmen, das Hotel zu schließen.

Ob Nickel Mountain die Tagebaue eröffnen kann, wird letztlich das Umweltgericht entscheiden. Den Antrag werde man frühestens 2015 einreichen, sagt Projektleiter Fredrik Bratt. »Wir werden alles gründlich untersuchen und unsere Hausaufgaben machen.« Was aber, wenn die Mine nicht kommt? Dann geht es weiter, sagt Bürgermeister Mörtsell und verschränkt die Arme. »Wir haben hier auch Tourismus und erneuerbare Energien, wir sind ja keine verzweifelte Gemeinde im Nirgendwo.«

»Manche sagen, ich verunsichere die Leute«, sagt Marie Persson. »Aber es gibt viele, die mir sagen, ich soll weitermachen.« Die Leser der größten Tageszeitung von Västerbotten haben sie im Sommer zur Einwohnerin des Jahres gekürt. »Die Leute diskutieren nun über Bergbau«, sagt Marie Persson. »Sonst hält man hier die Faust lieber in der Tasche.«

Gewandt umkurvt sie die Löcher der ungepflasterten Straße nach Tärnamo. Vor einem Jahr hat sie mit ihrem Verlobten in dem Weiler ein Haus gekauft, ein paar Kilometer von den geplanten Gruben entfernt. Sicherheitshalber. Zu Hause drückt sie Tochter und Sohn, auf die ihr Verlobter aufgepasst hatte. Zweimal hatten sie die kleine Kirche am Ufer des Gardiken schon gebucht und die Hochzeit zweimal wieder abgesagt. »Keine Zeit«, sagt Marie. »Aber wenn das hier vorbei ist, dann feiern wir ein großes Fest.«

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