»Atmen wird überbewertet!«

Warum Unterwasserhockeyspielerin Marion Brandl liebend gern abtaucht, ergründet René Gralla

  • René Gralla
  • Lesedauer: 5 Min.
Hockey ist das klassische Ding für den englischen Rasen: die Männer in halblangen Schlotterhosen, die Frauen mit wehenden Röcken. Doch manchen ist das viel zu britisch, und nicht einmal Eishockey ist für sie Herausforderung genug. Kurzerhand haben diese Enthusiasten ihr Spiel einfach unter Wasser verlegt. Eine der Aktivistinnen, die »Octopush«, wie der Sport auch genannt wird, in Deutschland betreiben sowie weiter vorantreiben wollen, ist die Lehrerin Marion Brandl aus München. Die 37-Jährige spielt für »Unterwasserhockey München e. V.« . Im nd-Gespräch lässt sie tief blicken, was die Octopusher so treibt, abzutauchen, um mit Puck und Schläger zu punkten.

nd: Hockey unter Wasser - hört sich wie ein Witz an!
Brandl: Warum? Ist Hockey auf dem Eis denn etwa plausibler? Wo einem die Füße permanent wegrutschen?! Natürlich muss man eine Affinität zum Wasser haben. Die ist bei mir gegeben. Und weil ich das reine Schwimmen irgendwann zu langweilig fand, habe ich, als ich vom Unterwasserhockey hörte, das einfach mal ausprobiert. Seitdem kann ich nicht mehr davon lassen. Unterwasserhockey fordert mich, ich kann richtig powern, ja, es macht mich glücklich.

Wie reagieren Leute, wenn Sie denen erzählen, welchen Sport Sie lieben?
Da ernte ich oft zweifelnde Blicke und höre die Frage, »wie jetzt, willst du mich verarschen?« Merken die jedoch, dass ich völlig ernst bin, werden sie neugierig und wollen wissen, wie Unterwasserhockey funktioniert. Im übrigen ist das auf Partys immer ein Superthema, mit dem man das Eis brechen kann.

Und wie funktioniert denn nun Ihr Hockey unter Wasser? Lässt sich der Puck dort unten überhaupt kontrollieren?
Sicher, der besteht schließlich aus Blei, das von Kunststoff ummantelt ist. Er wiegt 1,3 Kilogramm, bleibt damit immer schön am Beckenboden. Und über den gleitet der Puck, sobald er entsprechend getroffen wird. Wobei unsere Schläger bei weitem nicht so lang sind wie im Feldhockey. Meist noch kürzer als die maximal erlaubten 35 Zentimeter,

Und Sie stürmen, pardon: paddeln mit Ihren Schwimmflossen auf richtige Tore?
Das Tor beim Unterwasserhockey ist eine drei Meter breite Metallrinne mit einer Schräge an der Frontseite und einer 20 Zentimeter hohen Rückwand. Wird der Puck in besagter Rinne platziert, zählt das als Treffer. Prallt der Puck gegen die Rückwand und landet anschließend wieder vor dem Tor, zählt das auch.

In welcher Tiefe kämpfen Sie um Punkte?
Optimal sind zwei Meter. Im Münchner Olympiabad, wo wir auch trainieren, spielt sich aber alles sogar noch tiefer, so bei 2,60 bis 2,80 Metern ab.

Das Motto Ihres Vereins lautet »Atmen wird überbewertet!«, das entnehmen wir der Homepage. Spaß beiseite: Muss ich für Unterwasserhockey besonders lange die Luft anhalten können?
Das denken viele Leute, tatsächlich ist das aber kaum spielentscheidend. Man muss nur zum richtigen Zeitpunkt unten sein, um seine Aktion zu erledigen oder sich als Anspielpartner anzubieten. Deswegen ist Unterwasserhockey ein echter Teamsport: Ich kann zwar allein schon mal eine Bahn durchtauchen, doch blockiert da jetzt mal ein Gegner straff meinen Weg und macht Stress, und niemand hat mitgezogen, zu dem ich den Puck passen kann, muss ich am Ende abbrechen und Luft holen. Dann klappt es eben nicht mit dem Tore schießen.

Wie groß ist das Spiel-Becken?
Das Spielfeld ist 21 bis 25 Meter lang und zwischen zwölf und 15 Metern breit.

Und wie bekommt der Torwart das geregelt? Geht der hoch, um Luft zu schnappen, ist das Tor doch unverteidigt.
Einen Torwart im engeren Sinn kennen wir nicht. Stattdessen spielen wir in wechselnden Formationen, wobei wir bei uns im Verein das 3-3-System bevorzugen, drei Stürmer und drei Verteidiger. Eine Mitspielerin schnappt sich den Puck, eine zweite geht als Anspielpartner mit. Der Rest sichert nach hinten ab, und von denen übernimmt eine den Part des »letzten Mannes«.

Offenbar müssen Sie in Wellen gestaffelt und synchron angreifen, verteidigen, auftauchen und wieder runtergehen. Das ist wie Hockey mit einer dritten Operationsebene.
Richtig. Und die Gegner können von überall her kommen, wobei der tote Winkel ein Problem sein kann: Es ist nämlich eine schlaue Taktik, sich von oben quasi anzuschleichen - und dann blitzartig runter zu schießen und den Puck zu klauen.

Kriegen Sie zwischendurch auch mal eine Schwimmflosse ins Gesicht geklatscht?
Das kommt regelmäßig vor. Trotzdem gibt es selten ernsthafte Verletzungen, weil das Wasser die Bewegungen abbremst. Und wir tragen einen Mundschutz vor dem Schnorchel.

Wie verständigen Sie sich mit Ihren Teamkollegen? Sie können ja nicht rufen!
Vor jedem Spiel legen wir die Taktik fest. Die versuchen wir dann durchzuziehen.

Und wie können Zuschauer ihre genialen Spielzüge verfolgen?
Bei den meisten Turnieren werden Kameras über und unter Wasser eingesetzt, um das Spiel auf eine Leinwand oder mehrere kleine Bildschirme zu übertragen.

Sie sind immerhin schon 37 Jahre alt. Können Sie Unterwasserhockey - vielleicht weil im Wasser die Gelenke weniger belastet werden - länger als andere Sportarten betreiben?
Vor längerer Zeit habe ich festgestellt, dass bei anderen Spielen, wie etwa Basketball, meine Knie nicht mehr mitmachen, während ich im Unterwasserhockey keine derartigen Probleme habe. Deswegen ist die Altersstruktur in unserem Verein bunt durchmischt: Die Jüngste ist gerade 16 Jahre alt geworden, aber der Älteste hat bereits die 60 überschritten.

Ihr persönlicher Traum?
Unterwasserhockey ist in Neuseeland ein Breitensport, die nationalen Schulmeisterschaften werden mit 60 Teams ausgespielt. Mal runter fliegen und dort einen Klub nach dem anderen abklappern, das wäre super!

Nächstes Turnier mit Marion Brandl und ihrem Team vom Unterwasserhockey München e. V. am 17. November 2013 in Mulhouse, Frankreich. Weitere Infos: www.muenchen-ev.uwsport.de; Unterwasserhockey zum Zugucken: www.youtube.com/watch?v=eCv9Ux-HF0o

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