Prozess um Brechmittel eingestellt
Früherer Polizeiarzt muss 20 000 Euro an Mutter des Opfers zahlen
Bremen. Der Bremer Brechmittel-Prozess um den Tod eines mutmaßlichen Drogendealers ist gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden. Ein früherer Polizeiarzt soll 20 000 Euro an die Mutter des Opfers zahlen, teilte das Landgericht am Freitag mit. Staatsanwaltschaft, Angeklagter und Nebenklage stimmten zu.
Der Arzt hatte Ende 2004 einem Mann aus Sierra Leone per Nasensonde Brechsirup verabreicht, um verschlucktes Beweismaterial sicherzustellen. Der 35-Jährige starb wenig später an den Folgen der Prozedur. Der inzwischen 49 Jahre alte Angeklagte war in zwei Verfahren freigesprochen worden, der Bundesgerichtshof kassierte die Urteile aber anschließend als fehlerhaft. Seit April wurde deswegen erneut in Bremen verhandelt. Brechmittel wird bei ähnlichen Verdachtsfällen inzwischen nicht mehr eingesetzt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hatte Deutschland 2006 für diese Praxis verurteilt.
Die Bremer Kammer betonte, dass es auf der Grundlage der bisherigen Beweisaufnahme voraussichtlich zu keiner Verurteilung des Arztes wegen Körperverletzung mit Todesfolge kommen würde. Die Richter verwiesen auf die Aussage des Angeklagten, der sich jetzt erstmals zur Sache geäußert hatte und auf neue Angaben eines zur Hilfe gerufenen Notarztes.
Das Gericht habe das Maß der Schuld, die Folgen der Tat und die Auswirkungen des Verfahrens auf den Angeklagten abgewogen. »Auf der einen Seite stand der Tod des Opfers als schlimmste Folge einer staatlichen Zwangsmaßnahme«, hieß es in der Mitteilung des Gerichts. Es sei aber auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Angeklagte unter dem seit fast neun Jahren dauernden Verfahren schwer gelitten habe. Seit Oktober 2013 sei er in stationärer psychiatrischer Behandlung. Nach Einschätzung der Kammer ist zu erwarten, dass der frühere Polizeiarzt der Belastung einer Hauptverhandlung nicht mehr gewachsen ist.
Die Schwere seiner Schuld stehe der Einstellung des Verfahrens nicht entgegen. Der Tod des Opfers durch eine staatliche Zwangsmaßnahme ist nach Auffassung des Gerichts durch nichts zu rechtfertigen. Es müsse aber berücksichtigt werden, dass sich das Tatgeschehen für den bisher unbestraften Angeklagten als Folge einer Druck- und Ausnahmesituation als Unglücksfall darstelle. Die Kammer sei überzeugt, dass sich der Angeklagte nicht rücksichtslos und egoistisch verhalten habe. dpa/nd
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