Die SPD wird nicht auf Wunsch wieder links

Arno Klönne über die Folgen einer Großen Koalition, Umbrüche in der Parteienlandschaft und die Diskussion über eine Mehrheit jenseits von Schwarz-Gelb

  • Arno Klönne
  • Lesedauer: 3 Min.

Inzwischen muss über den regierungspolitischen Effekt der Bundestagswahl nicht mehr gerätselt werden, die SPD befindet sich auf dem Weg in eine Große Koalition, so aufmüpfig ist die sozialdemokratische Basis nicht, dass sie ihrer Parteiführung eine Blamage zufügen würde.

Offen ist, wie die kommende Partnerschaft sich auf die Unionsparteien und auf die SPD auswirken wird. Große Wahrscheinlichkeit hat: Eine Partei wie die »Alternative für Deutschland« steigert ihre Fähigkeit, bisherige Sympathisanten der Union und womöglich auch der SPD abzuwerben. Das wiederum muss die Unionsparteien und die Sozialdemokratie nicht auf Sicht auseinandertreiben, es kann sie auch noch näher zueinanderbringen.

Unwahrscheinlich ist (obwohl Kommentatoren immer noch gern damit spekulieren), dass nach einem großkoalitionären Zwischenspiel das Projekt einer sozialdemokratisch-grünen regierenden Mehrheit wieder hervorgeholt wird. Als »linkes Lager« war das Nebeneinander dieser beiden Parteien schon in Wahlkampfzeiten falsch charakterisiert; zudem waren deren Führungen entschlossen, der Linkspartei keinen Zutritt zu gewähren. Die Grünen sind nach der Wahl in noch mehr Distanz zur SPD gegangen; alle Anzeichen sprechen dafür, dass sie längerfristig eher auf eine Partnerschaft mit der CDU/CSU setzen. Damit siedelt sich die Grüne Partei funktional dort an, wo historisch die FDP ihren Platz hatte. Ob diese bundespolitisch sich rehabilitieren kann, ist nicht vorauszusehen; denkbar ist, auf längere Sicht, dass Grüne und FDP zusammenwachsen, »mittelschichtig« sind beide geprägt.

Unrealistisch wäre die Erwartung, durch enttäuschende Erfahrungen mit der Großen Koalition werde die SPD sich zurückverwandeln in eine wieder stärkere »linke Volkspartei« und damit Druck auf die Grünen ausüben, sich an ihre linke Vergangenheit zu erinnern. Veränderungen in der politischen Ausrichtung und auch in der Binnenstruktur von Parteien, die über eine längere Zeit hin sich vollzogen haben, sind nicht durch einen Wunschakt zu revidieren.

Als »Volkspartei« bleibt vorerst nur die CDU/CSU, auch unter dem Aspekt ihrer sozialstrukturell weitgefächerten Anhänger- und Wählerschaft. Aber kann sie diese Rolle weiter ausfüllen? Auf ewig wird sie ja von dem zusammenhaltenden Vorteil, als Partei einer unbestrittenen Kanzlerin dazustehen, nicht profitieren können. Auch ist damit zu rechnen, dass die Bundesrepublik von den Bedrängnissen der europäischen Wirtschafts- und Finanzwelt auf Dauer nicht verschont bleibt. Das wird, durch materielle und soziale Interessenkonflikte bedingt, Prozesse einer politischen Differenzierung im Parteiensystem verstärken, auch im Feld der Unionsparteien.

Fazit: Die Parteienlandschaft, an die sich die vereinte Bundesrepublik einige Jahrzehnte hindurch gewöhnt hatte, kommt in eine Umbruchsphase. Die Linkspartei stand bisher am Rande des Parteiensystems, was seinen Ausdruck fand in der Beurteilung, sie sei »nicht regierungsfähig«. Als Oppositionspartei hat sie in der Phase einer Großen Koalition die Möglichkeit, an Bedeutung zu gewinnen. Diese Chance wird sie am ehesten nutzen können, wenn sie sich von dem bisher vorherrschenden, nun aber hinfällig werdenden Bild der Parteienlandschaft löst. Die SPD und die Grünen werden nicht wieder das, was sie um 1990 waren oder zu sein schienen. Ein »linkes Lager« existiert auch als Eventualität nicht, eine »linke Mehrheit« in der politischen Mentalität der Bevölkerung ebenfalls nicht.

Da ist also viel brachliegendes Terrain in der politischen Geografie der Bundesrepublik. Dieses zu erschließen setzt Zutrauen in eigene Kraft voraus, und auch langen Atem. Außerdem eine Methodik politischer Arbeit, die nicht auf jene Gewohnheiten des parlamentarisch-parteilichen Betriebs fixiert ist, wie sie CDU/CSU/FDP/SPD/Grüne gepflegt haben - und damit ihren eigenen Boden ausgetrocknet haben. Ob daraus der Rechtspopulismus Nutzen ziehen kann, hängt nun von der politischen Linken ab.

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