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Ein Bürgermeister für die zwei New Yorks

Bill de Blasio setzte die soziale Situation der US-Metropole im Wahlkampf als Schwerpunkt

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.
Aus den Vorwahlen ihrer Parteien sind sie als Sieger hervorgegangen. Am Dienstag treten der Demokrat Bill de Blasio oder der Republikaner Joe Lhota zur Bürgermeisterwahl in New York an.

Der neue Bürgermeister von New York wird aller Wahrscheinlichkeit nach Bill de Blasio heißen. Das ist seit zwei Monaten klar, als sich der 52-Jährige in den Vorwahlen der Demokratischen Partei durchsetzte. Schon damals wurde de Blasio in der liberalsten der amerikanischen Städte als Nachfolger des amtierenden Bürgermeisters Michael Bloomberg gehandelt. Das gesamte Spektrum der Demokratischen Partei, die die Politik der Metropole am Hudson-Fluss traditionell dominiert, stellte sich schließlich hinter de Blasio.

Zu keinem Zeitpunkt stellte der Gegenkandidat Joseph Lhota, den die Republikaner ins Feld geschickt hatten, eine ernsthafte Herausforderung für de Blasio dar. Dem Rechten fehlen das Format und das Charisma seiner erfolgreichen Parteikollegen Rudolph Giuliani oder Michael Bloomberg. Schließlich leben in New York sechsmal so viele registrierte Demokraten wie Republikaner.

Laut Wählerumfragen kann sich de Blasio seit sieben Wochen auf einen unerreichbaren und konstanten Vorsprung von 35 bis 40 Prozentpunkten vor Lhota stützen. Die jüngsten Meinungserhebungen vom Sonntag ergeben 65 Prozent der Wählerstimmen für den Demokraten und nur 26 Prozent für den Republikaner.

Dabei hatten sich kurz nach de Blasios parteiinternem Durchbruch Skeptiker zu Wort gemeldet, die vor dem Hühnen warnten. Seine Steuerpolitik werde die Reichen aus New York vertreiben und die Kriminalitätsraten wieder ansteigen lassen, hieß es. Bill de Blasio sei ein gefährlicher linksradikaler Sozialist, der sich mit der Wall Street anlegen und die wirtschaftlichen Grundlagen der Stadt aufs Spiel setzen würde. Der scheidende Bürgermeister Bloomberg sprach in einem Interview von einem drohenden »Klassenkampf«.

Die Alarmglocken, die rechte Politiker, Konzernchefs und Medien läuteten, gründeten sich auf de Blasios Wahlkampfschwerpunkt. Das war die soziale Situation in New York. Seine Reden drehten sich unter Anspielung auf den sozialkritischen Klassiker von Charles Dickens um »A tale of two cities« - eine Geschichte aus zwei Städten. Die eine Stadt ist die Spielwiese der Reichen. Sie leben als wohlhabende Geschäftsleute und Immobilienhaie in Multimilllionen-Dollar-Wohnungen und lassen sich von eigenen Fahrern über die Avenues zum Flughafen kutschieren.

Die andere Stadt besteht aus der Mehrzahl der New Yorker Bevölkerung. Sie leidet unter steigenden Mieten, stagnierenden Löhnen und einer Polizei, die nach der berüchtigten »stop and frisk«-Strategie alle mit einer nicht-weißen Hautfarbe anhält und durchsucht.

Tatsächlich verspricht de Blasio mehr Geld für die Armen, Kinderkrippen für alle und gegen Obdachlosigkeit vorzugehen. Seine Steuerrefomvorschläge sehen die bescheidene Erhöhung der Beiträge für Einkommen über eine halbe Million Dollar pro Jahr vor. Dafür braucht er allerdings die Unterstützung des Parlaments des Staates New York, und die ist fraglich. Ob de Blasio Lohnerhöhungen durchsetzen will, wird sich in Verhandlungen mit den Gewerkschaften zeigen - sie sind in einiger Distanz zu dem Kandidaten geblieben. Der Bau von mehr Sozialwohnungen, ein weiteres Versprechen, hängt vom guten Willen der Immobilienfirmen ab.

Inzwischen sind die schrillen Töne von rechts verstummt. Denn Bill de Blasio hat sich nach den sozialdemokratischen Schwenks erfolgreich um das Wohlwollen der Mächtigen und Reichen in der Stadt bemüht. Die »New York Times« berichtete, dass sich Vertreter der Immobilienindustrie und der meisten Wall-Street-Firmen mit de Blasio als Bürgermeister arrangiert haben - der wiederum hat die »Geschichte aus zwei Städten« seit Tagen nicht mehr erzählt.

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