Als die Bayern fast Österreicher wurden
Vor 700 Jahren klärte die Schlacht von Gammelsdorf die Machtfrage an den Alpen - das Ereignis ist unvergessen
Zwei Heere standen sich vor 700 Jahren auf dem Schlachtfeld im oberbayerischen Gammelsdorf gegenüber. Auf der einen Seite die zahlenmäßige Übermacht des österreichischen Regenten Friedrich des Schönen mit Teilen des niederbayerischen Adels. Ihm stellte sich der junge Herzog Ludwig von Oberbayern mit Kontingenten der Städte Landshut und Straubing entschlossen in den Weg. Ludwig siegte am 9. November 1313 in der Schlacht, die richtungsweisend für die Unabhängigkeit Bayerns war.
Die Quellenlage zur Schlacht von Gammelsdorf ist dünn. Es ist nicht einmal klar, ob es sich wirklich um eine große Schlacht oder nur um ein Scharmützel gehandelt hat. So ist unbekannt, wie viele Ritter und Soldaten auf den Feldern nördlich von Freising aufeinandertrafen. »Gammelsdorf ist ein Beispiel dafür, dass der Schatten eines Ereignisses oftmals wesentlich größer ist, als das Geschehene selbst«, erklärt Peter Wolf vom Haus der Bayerischen Geschichte.
Der junge Herzog Ludwig von Oberbayern hatte nach dem Tod seiner niederbayerischen Cousins Stephan I. und Otto III. die Vormundschaft über deren Söhne übernommen. Damit fiel ihm die Regentschaft über Niederbayern zu - sehr zum Missfallen der Herzoginnen Judith und Agnes, den Witwen der Cousins. Diese übertrugen die Vormundschaft für ihre Söhne Friedrich dem Schönen. Die Schlacht in Gammelsdorf musste über die künftige Machtverteilung entscheiden.
Sicher ist wohl, dass dort der Mythos um Ludwig begann. Mit dem Sieg ist »Ludwigs Name und Ruhm helleuchtend in die Weite gedrungen«, wie ein zeitgenössischer böhmischer Geschichtsschreiber betont. Ein Jahr später wird Ludwig zum König gewählt. Nach einem erneuten Sieg über Friedrich in Mühldorf am Inn 1322 beendet er die Herrschaftsambitionen der Habsburger in Niederbayern. 1328 wird Ludwig zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt.
Für den Historiker Wolf, Projektleiter der Ausstellung »Ludwig der Bayer« im kommenden Jahr in Regensburg, ist die Schlacht um Gammelsdorf aber auch wegen eines anderen Aspekts bemerkenswert: »Erstmals haben sich in Bayern bewaffnete Bürger erfolgreich dem Adel entgegengestellt.«
Nicht wenige glauben, dass es bei einer Niederlage Ludwigs und der Städte Landshut und Straubing den Freistaat in seiner heutigen Form nicht gäbe. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte bei der Jubiläumsfeier im Sommer, dass die Bayern heute möglicherweise Nordösterreicher wären: »Das ist nur schwer vorstellbar.«
Auf den Feldern, auf denen vor 700 Jahren vielleicht das Schicksal Bayerns entschieden wurde, wächst heute Mais und Getreide. Lediglich ein Denkmal erinnert an die historische Schlacht, nur alle 50 Jahre feiert die 1600-Seelen-Gemeinde Gammelsdorf den Erfolg Ludwigs. »Wir vermarkten die Schlacht nicht besonders - Ludwig-Semmeln gibt es bei uns nicht«, sagt Bürgermeister Paul Bauer (CSU). Lediglich zwei Straßen in dem kleinen Ort sind nach den großen Kontrahenten Ludwig und Friedrich benannt. »Dabei wurde darauf geachtet, dass keiner bevorzugt wird, auch wenn die Ludwigstraße etwas länger ist.« dpa/nd
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