Ein Arbeitsloser auf Tournee
Ralph Boes hat wieder einmal Großes vor. Schon im Frühjahr machte der Erwerbslosenaktivist mit seinem »Sanktionshungern« bundesweit Schlagzeilen. Nachdem das Jobcenter ihm die Leistungen um 90 Prozent gekürzt hatte, verweigerte Boes 43 Tage lang die Nahrungsaufnahme. Es war bereits das zweite Mal, dass er mit seinem Hungern gegen die, wie er sagt, »verfassungsfeindliche Hartz-IV-Praxis« protestierte. Boes und seine Mitstreiter von der Bürgerinitiative Grundeinkommen machen immer wieder mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen von sich reden. Mal verteilte man Rosen an Jobcenter-Mitarbeiter, mal verbrannte Boes seine Eingliederungsvereinbarung vor einem Berliner Arbeitsamt.
Nun plant der kämpferische Hartz-IV-Bezieher eine Deutschland-Tour, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. »Ich stelle mir vor, eine Tour durch Deutschland zu machen, auf der wir uns Ort für Ort in Ruhe treffen, Aktionen durchführen, Vernetzungen anbahnen, Ort für Ort Erlebnisberichte aus dem Leben der Sanktionierten verfassen und veröffentlichen, Fotos machen, Filme drehen, direkt mit den Politikern reden, gemeinsam über Verbesserungsvorschläge sprechen«, so Boes in seinem Aufruf.
Im Vordergrund soll dabei die menschliche Dimension der Sanktionen stehen. Zudem will Boes öffentliche Vorträge halten über die »juristischen- und politischen Dimensionen des Themas«. Am kommenden Dienstag will man sich in einem Berliner Kulturzentrum treffen, um über »Möglichkeiten und Potenziale der Aktion« zu sprechen. Boes hofft, seine Idee von der Tournee durch Deutschland könnte »ein Anfang für eine größere Bewegung« sein.
Wie düster die Lage im Lande tatsächlich ist, zeigen die Zahlen, auf die sich die Diakonie Mitteldeutschland am Mittwoch berief. Im Rahmen der 5. Halleschen Erklärung »Inklusion und Teilhabe« warnte das kirchliche Hilfswerk: »Menschen in Ostdeutschland sind überdurchschnittlich von Armut betroffen.« Demnach gelten 25 bis 30 Prozent der Kinder bis 15 Jahre in ostdeutschen Großstädten als arm. Fast 20 Prozent der Menschen in Sachsen-Anhalt und Thüringen seien von Armut bedroht - im Bundesdurchschnitt seien es 15 Prozent. Die Diakonie fordert unter anderem eine Anhebung der Hartz-IV-Sätze, eine gesetzliche Mindestrente sowie öffentlich geförderte Beschäftigung statt Finanzierung von Arbeitslosigkeit. fal
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