»Sie warfen uns weg wie Abfall«
Pro Asyl verurteilt völkerrechtswidrige Zurückweisungen von Flüchtlingen an der griechischen Grenze
»Sie brachten uns bis in die türkischen Gewässer und warfen uns, einen nach dem anderen, auf unser Boot. Einer fiel ins Meer und wir zogen ihn wieder aus dem Wasser. Sie warfen uns weg, als wären wir Abfall. Dann schnitten sie das Seil durch. Wir hatten keinen Motor, kein Benzin, keine Ruder.« Was hier ein Flüchtling aus Syrien berichtet, ist kein Einzelfall. Fast ein Jahr lang hat ein Team der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl an der türkisch-griechischen Land- und Seegrenze recherchiert und stellte nun in einem Bericht unter dem Titel »Pushed Back« den Athener und Brüsseler Behörden ein verheerendes Zeugnis aus: Fasse man allein die Informationen interviewter Augenzeugen zusammen, seien in dem untersuchten Zeitraum mindestens 2000 Menschen völkerrechtswidrig zurückgewiesen worden.
Die Flüchtlinge berichteten, dass sie oft willkürlich stundenlang ohne Wasser und Nahrung eingesperrt und auch misshandelt worden seien. Immer wieder hätten ihnen maskierte und bewaffnete Angehörige von Spezialeinheiten Wertsachen und Ausweise abgenommen und sie dann in ihre seeuntüchtigen Boote oder in den Grenzfluss Evros zurückgeworfen, darunter auch besonders schutzbedürftige Kinder, Babys und Kranke.
Seit August 2012 sind nach Angaben von Pro Asyl nachweislich 149 Menschen, hauptsächlich aus Syrien und Afghanistan, auf der Flucht in griechischen Grenzgewässern ertrunken. Die große Mehrheit der Opfer und Abgewiesenen bilden dabei syrische Flüchtlinge, die den von EU-Regierungen in Sonntagsreden so gern versprochenen Schutz in Europa suchen.
Pro Asyl spricht von systematischer Verletzung der Menschenrechte und klagt nicht nur die griechische Regierung, Grenzpolizei und Küstenwache an. Das Athener Asyl- und Migrationssystem basiere auf einer erheblichen Unterstützung und Finanzierung durch die Europäische Union. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex sei seit Jahren in Griechenland im Einsatz - »dennoch schweigen die Entscheidungsträger in Berlin, Wien und im restlichen Europa über die Menschenrechtsverletzungen«.
Auch die Athener Regierung, die am 1. Januar 2014 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, müsse die Flüchtlingsrechte achten, Frontex seine Operationen in Griechenland einstellen - so die Forderungen der Hilfsorganisation. Alle EU-Mitgliedsstaaten sollten ihre Visabestimmungen lockern, Familienzusammenführungen erleichtern und Visa aus humanitären Gründen für Flüchtlinge im türkischen Transit erteilen. Das würde einen sicheren und legalen Zugang in die EU ermöglichen. Auch der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muižnieks, hat unlängst das Vorgehen an den EU-Außengrenzen scharf gerügt. Das Kontrollregime dort müsse die Grundrechte besser achten.
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