Wie im WM-Deutschland das Lächeln organisiert werden soll

»Nationale Service- und Freundlichkeitskampagne« ab heute öffentlich

  • Michael Müller
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Lächeln kostet nichts, meint der deutsche Volksmund - und er irrt gewaltig. Zumindest aus der Sicht der Organisatoren der Fußball-Weltmeisterschaft und all derer, die hier zu Lande mit dem Gastgewerbe zu tun haben. Halten sie doch immerhin eine »nationale Service- und Freundlichkeitskampagne« für geboten, damit sich - gemäß des WM-Mottos - in diesem Sommer »die Welt zu Gast bei Freunden« fühlen kann. Diese Kampagne soll, nach etwa dreimonatiger interner Vorbereitung, ab heute republikweit sichtbar sein, wurde gestern in Berlin bekannt gegeben. Und zwar durch 20 000 Großflächenplakate (»Deutschland in Aufstellung für 2006«, Mediawert rund 2,3 Millionen Euro) und einen TV-Werbespot («Deutschland rollt den roten Teppich aus«, Produktionskosten rund 30 000 Euro). Bezahlt wird alles weitgehend aus dem Bundeshaushalt. Im Etat 2006 sind dafür als Aktions- »Anschubfinanzierung« drei Millionen Euro ausgewiesen sowie für die »Standort- und Imagekampagne« zehn Millionen. Auch die 30 Millionen Euro »Zuwendungen für WM-Kunst- und Kulturprojekte« wären dem gut bezahlten bzw. teuer erkauften Gastgeberlächeln noch hinzuzurechnen. Gar nicht zu reden von der Kofinanzierung der Aktion namens »Deutschland - Land der Ideen« mit zehn Millionen Euro. Solche profanen Zahlen spielten indes gestern keine Rolle. Zumal sie vielleicht sogar die Frage aufgeworfen hätten, warum diese als Pressekonferenz ausgegebene PR-Veranstaltung mit rund 300 geladenen Leuten, unbedingt in einem der teuersten Säle Berlins, im Palaissaal II des Hotels Adlon Kempinski (Normalzimmerpreis 380 Euro) stattfinden musste. Doch wie Franz Beckenbauer, Chef des WM-Organisationskomitees, schon richtig feststellte, sei das inzwischen ja alles »fast zu eine politischen Angelegenheit« geworden. Für Bundeswirtschaftsminister Michael Glos ist sie das natürlich auch. Deshalb solle die konzertierte nationale »Service- und Freundlichkeitskampagne«, wie er gestern hoffte, »durchschlagen bis auf den letzten Berliner Polizeibeamten« und dazu beitragen, dass »man in aller Welt Vorurteile gegenüber Deutschland endlich über Bord wirft«. Der parlamentarische Innen-Staatssekretär, Dr. Christoph Bergner, brachte es auf den eher positiven Nenner: Deutschland müsse sich »weltoffen, tolerant und sympathisch« präsentieren. Bergner setzte u.a. auf Englischnachhilfe für Taxifahrer und »interkulturelle Kompetenz« bei der Deutschen Bahn. Natürlich fehlte auch nicht der Appell an die anwesenden Journalisten, doch dementsprechend »positiven Einfluss auf die Bevölkerung auszuüben« (Fedor H. Radmann, FIFA-Organisationskomitee). Das sollte unter anderem heißen, nicht mehr so auszuwalzen, dass den rund 90 ohnehin bestbezahlten Politikern dieses Landes Freikarten für alle Spiele zustehen (Beckenbauer: »Man kann doch den Bundespräsidenten schlecht aus der privaten Tasche bezahlen lassen.«). Oder auch, nicht mehr täglich auszuloten, wie in der Krisen-Kluft zwischen Trainer Jürgen Klinsmann und der nationalen Rest-Fußballwelt inzwischen jedes Lächeln erstarrt. Kurzum: Deutschland - Land des Lächelns, wenn auch des organisierten. Ob ausländische Fans dafür überhaupt einen Blick haben, ist nicht sicher. Klaus Laepple, Präsident des Bundesverbandes der Tourismuswirtschaft, hofft indes auf »Nachhaltigkeit«: Wenn wir alle freundlich zu den WM-Gästen sind, kommen sie später vielleicht als »normale Gäste« wieder ins Land. Meinte er gestern mit einem kleinen Lächeln.
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