Futter für den Puma

Turin am Jubeln, Bremen am Hadern

  • Matthias Koch, Turin
  • Lesedauer: 3 Min.
Thomas Schaaf war sauer. »Sie wollen doch nicht das jüngste 1:4 der Nationalelf in Italien mit unserem Ausscheiden bei Juventus Turin vergleichen«, bellte Bremens Trainer den Journalisten in den Katakomben des Stadio delle Alpi an. Dabei hatte der ND-Reporter nur gefragt, ob die unglückliche 1:2-Niederlage des SV Werder Bremen ein weiterer Schuss vor den Bug des deutschen Fußballs im WM-Jahr gewesen sei. »Das ist mir jetzt ziemlich egal. Wir haben wie beim 3:2-Erfolg im Hinspiel eine Klasseleistung gezeigt. Es ist tragisch, so zu verlieren. Nicht jede Mannschaft bekommt so viele Tormöglichkeiten gegen Juventus«, meinte Schaaf auf dem Weg zum Mannschaftsbus, der mit zartem, beinahe wehmütigem Hupen am Mittwoch kurz vor Mitternacht den Ort der Frustration verließ.
Tragischer Hauptakteur des Abends war Werder-Schlussmann Tim Wiese. Er absolvierte mit Glanzparaden am Fließband das Spiel seines Lebens - aber nur bis zwei Minuten vor dem Abpfiff. Dann unterlief dem Mann mit der Vorliebe für rosafarbene Trikots ein Fangfehler, wie er sonst nur in der Kreisklasse zu sehen ist. »Ich habe das zunächst gar nicht richtig gesehen. Erst als mein Mitspieler Fabio Cannavaro rief, "Schieß Puma, schieß Puma!", habe ich mich umgedreht und den Ball ins leere Tor geschoben«, sagte der Brasilianer Emerson (Spitzname Puma), der mit dem 2:1 Juve aufgrund der Auswärtstorregel ins Viertelfinale der Champions League brachte. »Ein Geschenk für Juve«, gab Turins Coach Fabio Capello ehrlich zu.
Auch die italienischen Zeitungen fokussierten ihre Berichterstattung auf Wiese. »Ein dicker Fehler des deutschen Torwarts verleiht Juve Flügel«, berichtet die Turiner Tageszeitung La Stampa. Gazetta dello Sport fand, Wieses Aussetzer gehöre zu den Fehlern von Torhütern, die Geschichte schreiben.
Das war nur ein schwacher Trost für die 2200 mitgereisten Bremer Fans. Manche, die bei der Anreise auf dem Flughafen Mailand/Bergamo mit roten Überführungskennzeichen gesehen wurden, brachten anstelle von Glücksgefühlen wenigstens ein paar preiswerte Fahrzeuge der Turiner Hausmarke Fiat heim.
Werder Bremen bleibt die Erfahrung, mit einem Titan der Branche mitgehalten zu haben. »Wir hatten Juve am Rand des Ausscheidens. Das uns nun mehrere Millionen Euro entgangen sind, ist mir ziemlich egal«, resümierte der Bremer Manager Klaus Allofs. Tim Wiese wird gegen Hertha BSC am Wochenende von den Bremer Anhängern gefeiert werden - vielleicht mit dem Galgenhumor eines Werder-Fans im »Ristorante Stadium«. Der meinte am Donnerstag früh beim Anblick des Wiese-Fehlers im TV, dass es mit dem fehlenden Andreas Reinke wohl »nie so spannend geworden wäre«.

Turin - Bremen 2:1 (Hinspiel 2:3)
Turin:
Buffon - Zebina, Thuram, Cannavaro, Zambrotta (70. Balzaretti) - Camoranesi (57. Mutu), Emerson, Vieira, Nedved - Ibrahimovic (57. Del Piero), Trezeguet
Bremen: Wiese - Owomoyela, Fahrenhorst, Naldo, Schulz - Baumann (73. Pasanen) - Frings, Borowski - Micoud - Klose, Klasnic (81. Valdez)
Tore: 0:1 Micoud (13.), 1:1 Trezeguet
(65.), 2:1 Emerson (88.) SR: Poll (England). Z.: 40 226.
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