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  • Politik
  • Friedo Solter inszenierte »König Lear« in Schwäbisch-Hall

Edgar plötzlich nackt

  • Timo Fehrensen
  • Lesedauer: 4 Min.

Ja, der Herr Ministerpräsident Teufel schaut bei der Premiere böse drein: Edgar zeigt sich doch tatsächlich für eine Sekunde so, wie Gott ihn erschaffen hat. So viel Zeitgeist dürfte eigentlich gar nicht bei einem Freilichtspiel stattfinden. Aber Regisseur Friedo Solter war nun mal eingeladen worden, zur 75. Spielzeit der Freilichtspiele Schwäbisch Hall wenigstens für etwas Modernität zu sorgen. »König Lear« steht auf dem Programm - bestimmt kein freilichtspiel-gemäßes Drama. Zuletzt war's in Bad Hersfeld, wo der damalige Intendant Volker Lechtenbrink vor fünf Jahren den erst altersstarken, dann -schwachen und schließlich -weisen König auf die Bühne brachte. Und dieses Jahr eben in Schwäbisch Hall.

Seit 32 Jahren amtiert Intendant Achim Plato. Er sorgte tatsächlich dafür, die kleine Stadt im Schwäbischen zu so etwas wie einer Theatermetropole im Festspielver bund Deutschlands werden zu lassen. Seit 1925 wird auf der voluminösen Treppe vor der Kirche St. Michael Theater gegeben. Von Shakespeare bis Brecht reicht die Palette. Auch Roberto Ciulli, Christoph Marthaler und Kurt Hübner haben hier gearbeitet. Und Wolf Kaiser spielte hier.

Nun also Lear. Edgar zumindest für ein Sekündchen nackt - und es bleibt nicht das einzige, was nicht ganz dem konser vativen Inszenierungsstil entspricht, den man von anderen Freilichtbühnen kennt. Lear soll als Symbol für den heutigen Machtmenschen gelten. Man sieht es schon an den Kostümen (Eva-Maria Viebeg): viele lange Mäntel, man kennt's von den großen Theatern. Die Töchter bilden eine selbstbewusste und zuweilen etwas hochkonzentriert überbordende Truppe von wilder Weiblichkeit.

Wer in Schwäbisch Hall inszeniert, der darf nicht für allzu viel Aktionismus sor gen: Wenns regnet, werden die Stufen glitschig, und das könnte manchem Schauspieler und vor allen auch manchem Stück ein vorzeitiges Ende bereiten. Gleichwohl wird hier sehr zügig gespielt, aber erst nach einer Stunde bekommt Solters Inszenierung Kontur, wird der Niedergang von Lear gleichsam zur Metapher für eine gescheiterte Politik.

Ein großes Ensemble, zumal ein solches, das den »Lear« spielt, will zusammengesucht sein. Freilichtspiele, die sich nicht mit hohen Gagen brüsten können, müssen da zuweilen auf klein-klein besetzen. Manchem merkt man es an. Andere bewältigen den Shakespeare meisterhaft, etwa Eva Weissenborn als zwar aufgekratzte, aber dennoch gekonnt lautstarke und sarkastische Goneril oder Thomas Ecke, ganz ohne Freilichtspiel-Lautstärke, dafür als fast charmanter Zyniker - in der Rolle des Edmund. Katrin Huke gibt die Cordelia betont emanzipiert. Ein starkes Mädchen, kein braves Töchterlein. Solter lässt die Huke gleichzeitig in der Rolle des Narren auftreten. Das tut sie mit Pathos und rollendem Carolin-Reiber-R.

Der Lear von Klaus Manchen: zunächst sehr jovial - erst im Absturz gewinnt er Größe. Das ist zunächst kein Mensch der Autorität, der hier agiert. Das ist vielmehr ein gütiger Hausvater. Den Schauspieler vom Berliner Tvlaxim Gorki Theater mag sich mancher kaum als Lear vorstellen. Aber mehr und mehr zeigt er die majestätische Stärke, die man vom König erwar tet.

ZDF. 23 Uhr. Historien-Drama

Der Opiumkrieg. Geschichtslektion in opulenten Bildern: 1838 blüht in China der Opiumhandel. Ein fettes Geschäft für die Engländer, das die Gesundheit der Chinesen ruiniert. Als der chinesische Kaiser versucht, die Drogengeschäfte zu unterbinden, rüsten die Briten zum Kriege. Das 1997 gedrehte Kino-Opus wurde zum teuersten chinesischen Film aller Zeiten. (Bis 0.45 Uhr)

DeutschlandRadio Berlin, 19.05 Uhr. Hörspiel

Katalonien, 1925. Im Jahr 1925 besucht der spanische Dichter Federico Garcia Lorca seinen Freund, den Maler Salvador Dali und dessen Familie in einem kleinen Fischerdorf am Mittelmeer. Die beiden Männer und die Schwester des Malers er leben einen unvergesslichen Sommer. In einem visionären Spiel wird jedoch auf unheimliche Weise die Zukunft der beiden Künstler sichtbar: Dali paktiert mit der Macht,, Lorca hört die Schüsse seiner Mörder voraus ... (Bis 20 Uhr)

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