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Geheimnis eines Sportwunders

Rezension: »Erkenntnisse und Erfahrungen von DHfK-Trainern in aller Welt«

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.
DDR-Leistungssport ist eine vielfach verkannte Angelegenheit. In der DDR instrumentalisierte man Erfolge einzelner Sportler als Symbole für die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft. Von der anderen Seite des Eisernen Vorhangs aus wurden die Triumphe von DDR-Sportlern gern als irgendwie maschinell zustande gekommen diskreditiert. Nach 1989 war dann alles ohnehin nur Doping ...

Unmögliches möglich
Nun, gedopt wurde nachgewiesenermaßen, wenn auch nicht immer; »Reisekader« waren stets ein Objekt des MfS, nicht selten auch deren Subjekt. Ohne Talent, Ehrgeiz und Leistungsbereitschaft der einzelnen Sportler, ohne ein systematisches Sichtungs-, Auswahl- und Förderungssystem, ohne kompetente und engagierte Trainer sowie eine enge Verzahnung von Sportwissenschaft und Trainingspraxis wäre eine Medaillenbilanz, wie sie die DDR erreichte, bei derartig geringer Bevölkerung allerdings nicht möglich gewesen.
An diese letzte, gern unterschlagene Facette des Leistungssport in der DDR erinnert eine von Karsten Schumann und Ronny Garcia herausgegebene Broschüre. Sie befragen dort meist gestandene Trainer, die nach 1989 in den gesamtdeutschen Sportstrukturen teils nicht mehr erwünscht, teils nicht mehr bezahlbar waren und schließlich im Ausland ihr Wissen einbrachten. Nicht ohne Erfolg.
Im Radsport führte der legendäre Wolfram Lindner das Schweizer Nationalteam zu einem Olympiasieg und zwei WM-Titeln; Heiko Salzwedel, von 1991-98 Nationaltrainer Straße in Australien, dürfte seinen Teil zur Phalanx australischer Profis bei den großen Rennen in Europa beigetragen haben. Weißflog-Trainer Joachim Winterlich sorgte in den 90er Jahren für ein Zwischenhoch italienischer und Schweizer Skispringer. Walter Jentzsch baute (als Trainer Schlittensport von 1991-98) italienische Sportler zu den Hauptkonkurrenten der deutschen Rodelelite auf. Paul Tiedemann, Nationaltrainer beim sensationellen Olympiaerfolg von Wieland Schmidt & Co in Moskau, führte Ägypten an die erweiterte Weltspitze des Handballs heran. Einer der Väter des Erfolgs der multinationalen Segelcrew von »Alinghi« schließlich heißt Jochen Schümann.
Befragt nach den Grundlagen ihrer Erfolge in der weiten Welt, schält sich selbst angesichts der sehr unterschiedlichen Arbeitsbedingungen in den einzelnen Ländern und Verbänden doch eine gemeinsame Antwort heraus: Die Teamarbeit war Markenzeichen des DDR-Leistungssports und sie ist weiterhin unverzichtbar: als Zusammenarbeit mit Sportwissenschaftlern und Medizinern für die Trainingsplanung und Leistungsdiagnostik, mit anderen Spitzentrainern im Verband, um die einmal erarbeiteten Methoden auch im Alltag durchzusetzen, mit Trainer für den Nachwuchsbereich, damit sie Talente erkennen und fördern können, sie aber auch nicht aus eigenem Ehrgeiz, dem von Eltern und Geldgebern zu früh verheizen. In technikintensiven Disziplinen kommt natürlich der Austausch mit Ingenieuren hinzu.

Hohelied berechtigt
»Geheimnisse«, wie man das letzte Leistungsmoment noch herauskitzelt, werden in dem Büchlein nicht verraten. Außer eben jenem, dass es sich lohnt, gut mit vielerlei Experten zu kooperieren. In Zeiten, in denen Aufmerksamkeit oft nur dem einen Spitzensportler gilt, hat dieses Wissen jedoch fast schon den Rang eines Geheimnisses. Den Epilog bildet ein Hohelied auf die 1992 abgewickelte DHfK Leipzig. Zu Recht, wenn man die Karrieren ihrer Absolventen hernimmt.

Erkenntnisse und Erfahrungen von DHfK-Trainern in aller Welt, GNN-Verlag, 2005, 8 Euro, ISBN 3-89819-194-X.
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