- Politik
- LEICHTATHLETIK: Klaus Beer und sein Schützling
Olympia-Sprung von ‹68 ist das Maß
Der deutsche Weitsprung-Meister Kofi Amoah Prah im Stile seines Lehrmeisters
Von Jürgen Holz
Auch die empfindliche Kühle am Dienstag abend beim Meeting im «Stadion der Freundschaft» in Königs Wusterhausen bremste den deutschen Weitsprung-Meister Kofi Amoah Prah nicht in seinem Elan. Denn mit seiner 7,72-m-Weite, mit der er bis zum sechsten und letzten Versuch souverän das Feld anführte, gab er sich nicht zufrieden. Und prompt landete er bei seinem letzten Sprung auch bei 8,06 m.
«Die Kühle ist kein Thema für mich», sagte er später. «Ich habe in diesem Jahr bestimmt an die zehn Wettkämpfe mit Regen, Wind und Kälte gehabt. Da ist man das gewohnt. Und wenn es in Sydney regnet oder gar Gegenwind bläst, bin ich also darauf eingestellt. Ich hoffe, dass sich das harte Training bei Olympia irgendwie auszahlt. Noch ist ja auch etwas Zeit, denn die Weitsprung-Qualifikation in Sydney ist erst am 25. September.»
Vor der Abreise nach Australien wird der 25-Jährige vom LAC Haiensee noch in Hamburg starten und sich danach konzentriert auf den Saison-Höhepunkt vor bereiten - zusammen mit seinem Trainer, der zu DDR-Zeiten eine Berühmheit war- Klaus Beer. Der heute 57-jährige vollbrachte bekanntlich 1968 in Mexiko-Stadt eine Bravourleistung, als er hinter dem nach seiner Siegweite von 8,90 m als «Jahrhundert-Weltrekordler» bezeichneten Amerikaner Bob Beamon uner schrocken und nervenstark konterte und mit 8,19 m olympisches Silber gewann.
Klaus Beer, der nach seiner aktiven Laufbahn bis zur Wende als Trainer beim damaligen SC Dynamo Berlin arbeitete, betreut seit acht Jahren den derzeit besten deutschen Weitspringer. «Meinem Trainer verdanke ich alles. Er hat immer an mich geglaubt, auch in Phasen, als ich mehr Zweifel als Hoffnung hatte», erzählt der gebürtige Ghanaer, der aber von sich selbst sagt. «Ich bin eigentlich Berliner.»
Sein Vater war zu DDR-Zeiten Kraftfahrer an der ghanaischen Botschaft im Ostteil Berlins. «Doch schon als Baby kam ich nach Berlin. Hier wuchs ich auf, hier begann ich im Dynamo-Trainingszentrum in Rummelsburg mit der Leichtathletik, ehe ich zum SC Dynamo delegiert wurde. Ich bin also ein echtes Kind des Sportförder Systems der DDR. Ich weiß nicht, was sportlich sonst aus mir geworden wäre», meint der dunkelhäutige Musterathlet.
Prah, der 1996 eingebürgert wurde, übertraf 1997 erstmals die 8-m-Marke. Bei den Deutschen Meisterschaften 1999 in Erfurt landete er - allerdings bei unzulässiger Windunterstützung - mit 8,19 m exakt bei der Weite, mit der sein Trainer vor über drei Jahrzehnten zu Olympia- Silber gekommen war. «Ich halte die Weite meines Trainers vor 30 Jahren nach wie vor für unglaublich», macht er seinem Coach ein Kompliment. Inzwischen hat der Schüler seinen Lehrmeister sogar übertroffen: Am 1. Juli dieses Jahres sprang Prah 8,20 m - persönliche Bestweite. Noch am Abend bot ihm Klaus Beer das «Du» an, aber Prah machte bis heute keinen Gebrauch davon. «Ich habe einfach zu viel Respekt vor ihm», sagt er.
Der Trainer indes lobt seinen Schützling: «Er ist vom Feierabend-Springer zum Weiten-Springer geworden und geht jetzt viel zielbewusster an die Dinge heran.» Früher kam Prah erst nach Feier abend um 17 Uhr zum Training. Heute gehört er der Sportfördergruppe der Bundeswehr an und kann täglich fast rund um die Uhr im Berliner Sportforum trainieren. «Das macht sich natürlich bemerkbar und hat auch zu seiner Leistungs-Kontinuität geführt», urteilt Beer. Wenn er seinen Schützling mit sich selbst vergleicht, antwortet er- «Er springt den gleichen Stil wie ich, zumindest was die Flugphase anbelangt. Aber er ist viel, viel schneller als ich. Das ist sein Vorteil, den er jedoch noch stärker nutzen muss. Mit seinen Voraussetzungen ist er in der Lage, weiter als 8,20 Meter zu springen.»
Klaus Beer wird seinem Olympiakader auch in Sydney zur Seite stehen, obwohl er als Berliner Landestrainer, der über eine Mischfinanzierung vom Berliner Leichtathletik Verband und dem Olympiastützpunkt bezahlt wird, nicht zum offiziellen Tross des DLV gehört. «Aus eigener Tasche hätte ich das Sydney-Unter nehmen natürlich nicht finanzieren können, aber erfreulicherweise haben mir Sponsoren geholfen und mein Dabeisein ermöglicht.» Hinsichtlich der olympischen Erwartungen weicht der Coach einer Antwort nicht aus: «Ich erwarte von Kofi, dass er mindestens an seine Bestweite herankommt.» Beer glaubt, dass «für die Medaillen-Vergabe so achteinhalb Meter nötig sein» werden. «Aber mit solchen Prognosen muss man insofern vor sichtig sein, als in Australien momentan Frühjahr ist. Die Temperaturen fallen entsprechend gering aus. Das könnte sich durchaus auf die Weiten auswirken.»
Doch vielleicht ist gerade das auch die Chance des Außenseiters Kofi Amoah Prah, dem Kühle, Wind und Regen offenbar wenig ausmachen. Übrigens: Als Klaus Beer vor 32 Jahren olympisches Silber holte, nahm auch der Regen mehr und mehr zu - und die Zuversicht der Favoriten mit jedem Tropfen ab
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.