Fußball kann so leise sein

Showtraining der Nationalelf vor dem Spiel gegen die USA riss keinen vom Hocker

  • Matthias Koch, Dortmund
  • Lesedauer: 2 Min.
Bis zum Beginn der WM am 9. Juni ist es noch ein bisschen hin. Vielleicht begann deshalb das Showtraining der deutschen Nationalelf am Dienstag mit fünf Minuten Verspätung. Angeführt von Torhüter Jens Lehmann trabten die Kicker bei tief stehender Sonne um 16.05 Uhr gemütlich auf den Rasen des Dortmunder WM-Stadions. Beifallsbekundungen waren nicht zu erwarten - und es gab auch keine. Als der Stadionsprecher ins weite Rund fragte, wo denn die Fans der deutschen Nationalelf seien, gab es nur eine Reaktion: Pfiffe. Zur Ehrenrettung der zuletzt ständig gescholtenen Spieler und Trainer ist allerdings anzumerken, dass die meisten der rund 8000 Zuschauer überhaupt keine Reaktion zeigten. Große Emotionen blieben auch beim Fototermin aus, den das Team vor Beginn der Einheit lässig hinter sich brachte. Wer genau hinsah, konnte aber interessante Details entdecken. Genau zwischen den Torhütern Jens Lehmann und Oliver Kahn war die Bank zu Ende. Den Schulterschluss zwischen den bis in die Haarspitzen verfeindeten Profis schaffte nur »Paule«, das neue Maskottchen des DFB, das zwischen den Streithähnen stand und beide sanft an der Schulter berührte. Motto: Bitte haltet zusammen, bis sich Klinsmann eines Tages für die wahre Nummer eins im Tor entschieden hat! Dem Vögelchen des Fotografen blickte auch Bastian Schweinsteiger entgegen. Der aus seiner Sicht sowie der des DFB und seines Vereins Bayern München unberechtigterweise mit dem neuen Wett- und Manipulationsskandal in Verbindung gebrachte Mittelfeldmann wurde vorsorglich beschützt. Co-Trainer Joachim Löw stand direkt neben ihm, schräg dahinter Bayern-Star Michael Ballack, der auch noch symbolisch seine Hand bei »Schweini« auf die Schulter legte. Während Klinsmann und Löw danach eine Gruppe am Ball arbeiten ließen, und siebzig Meter weiter die US-Fitnesstrainer beim Rest der Fußballer die Koordination auf Vordermann brachte, wurden nur zwei Transparente entrollt. Auf dem harmlosen stand in Anspielung auf das Freundschaftsspiel der Nationalelf gegen Brandenburger Verbandsligafußballer: »Mannheim 16. Mai: Fußball-Weltmeister 2006 - FSV 63 Luckenwalde.« Das zweite Plakat mit der Aufschrift »110 % Anti Klinsi!!« wurde schon wenige Sekunden nach dem Hochhalten von Polizisten begutachtet. Die Aufforderung zum Einrollen kam prompt. Ansonsten blieben Gesänge zu Gunsten des aussortierten Dortmunders Christian Wörns die Ausnahme. Im Hexenkessel Westfalenstadion war es so ruhig, dass um 16.43 Uhr sogar Musik einsetzte. Fußball kann eben auch mal leise sein. Das Showtraining riss auch beim Abschlussspielchen keinen vom Hocker. Wollen wir hoffen, dass es beim heutigen Test gegen die USA anders zugeht, auf den Rängen wie auf dem Rasen.
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