Die berühmteste Meuterei der Seefahrtsgeschichte
Genauso empfinden es wohl seine Männer. Nur wollen einige dem schönen Leben auf Tahiti keineswegs ein »langes Lebewohl« sagen. Zu ihrem Anführer macht sich Fletscher Christian, Blighs Erster Offizier, von seinem Kapitän geschätzt, aber auch hart gefordert. Den hat Bligh gegen sich aufgebracht. Nicht weil er der schlimme Menschenschinder ist, als der er in dem historisch fragwürdigen Hollywoodfilm des Jahres 1935 dargestellt wird. Aus dem Logbuch, anderen Dokumenten und Berichten von Zeitgenossen geht hervor, dass Bligh ein zwar »leidenschaftlicher, jedoch gutherziger Mann war«. Er sorgt umsichtig für die Mannschaft. Keiner geht an Skorbut drauf. Seine Strafen liegen eher unter der von der Admiralität verordneten Norm an Peitschenhieben und dergleichen. Was ihn unbeliebt macht, ist seine Scharfzüngigkeit, die verletzende Herablassung. Die zügelt er gegenüber Fletscher Christian auch vor der Mannschaft nicht. Das ist es, was den Offizier in tiefster Seele verletzt und in Rage versetzt. Und so kommt es am 28. April 1789 dreißig Seemeilen südwestlich der Insel Tofua im Tonga-Archipel, zur berühmtesten Meuterei der Seefahrt. William Bligh berichtet später-
»Kurz vor Sonnenaufgang, als ich noch schlief, kamen Christian, Churchill, Mills und Burkett in meine Kabine und ergriffen mich, banden mir die Hände mit einem Strick auf den Rücken und drohten, mich augenblicklich töten zu wollen, wenn ich nur den geringsten Lärm machen würde. Ich wurde aus dem Bett gezerrt und im bloßen Hemd an Deck geführt.« Der Kapitän wird zusammen mit 18 loyalen Männern im Beiboot der »Bounty« - sieben Meter lang, zwei Meter breit und achtzig Zentimeter Tiefgang - ausgesetzt. Die Männer erhalten ein wenig Proviant, ein paar Säbel, einen Kompass, einen Quadranten, aber keine Seekarten - dafür das Hohngelächter der Meuterer.
Dennoch bringt Bligh die Nussschale sicher über das Meer. Nach 41 Tagen und 3600 Seemeilen trifft er mit allen 18 Mann an Bord in der niederländischen Besitzung Kupang auf Timor ein. Eine beispiellose seemännische Leistung.
Doch nicht davon und Blighs weiterem Schicksal soll hier berichtet werden. Auch nicht von den dramatischen Abenteuern und dem Ende der Meuterer. Hier geht es vielmehr um die »Bounty«: Nachdem Fletscher Christian das Kommando über nommen hatte und die Brotfruchtpflanzen über Bord geflogen waren, legte er am 22. September 1789 erneut vor Tahiti an. Allerdings nur für zwei Tage, um 16 der Meuterer wunschgemäß auf der Insel zurückzulassen.
Dann segelte die »Bounty« mit den restlichen neun Briten sowie zwölf polynesischen Frauen, sechs Männern und einem Kind durch die Südsee bis zur Insel Pitcairn: weit abgelegen etwa auf halbem Wege zwischen Australien und Südamerika, vor Verfolgern sicher, aber mit dem 1350 Meilen entfernten Tahiti nicht zu vergleichen. Kein Strand, keine Palmen, kein Blumenmeer, keine freundlichen Menschen, nur steile Küsten und kahle Berge. Hier endet, um alle Spuren zu ver nichten, auf Fletscher Christians Befehl die »Bounty«. Am 23. Januar 1790 wird sie in Brand gesetzt und verschwindet in den Fluten der Südsee.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.