Sportwetten bleiben in der Hand des Staates

Karlsruhe stützt das bisherige Wettmonopol, Oddset muss aber bis Ende 2007 deutlich nachbessern

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf dieses Wett-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hätte man wetten können: Staatliche Monopole bei Wetten und Glücksspielen bleiben erlaubt. Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe am Dienstag entschieden. Auch das staatliche Monopol auf Oddset-Sportwetten ist grundsätzlich zulässig, allerdings fordern die Richter strengere Vorgaben zum Kampf gegen die Spielsucht. Auf bis zu 150 000 schätzen Fachleute die Zahl der Spielsüchtigen in Deutschland.
Der erste Senat des BVG betont: Der Staat dürfe sich die Veranstaltung von Sportwetten in Eigenregie vorbehalten - aber nur, wenn sein Monopol dem Kampf gegen Suchtgefahren diene. Die Absicht, Geld in die Staatskasse fließen zu lassen, sei dagegen keine Rechtfertigung. In der jetzigen Praxis widerspreche das staatliche Wettmonopol daher dem Grundgesetz, so verfolge Oddset »erkennbar auch fiskalische Zwecke«. Oddset werde zudem durch breit angelegte Werbung und ein großes Vertriebsnetz als harmlose Freizeitbeschäftigung angepriesen, kritisieren die Richter. Der Gesetzgeber soll nun bis Ende 2007 die Regeln für Sportwetten verschärfen.
Bis dahin müsse sichergestellt werden, dass das staatliche Wettmonopol »wirklich der Suchtbekämpfung dient«, heißt es im Urteil. Andernfalls müssten private Wettunternehmen »gesetzlich normiert und kontrolliert« zugelassen werden. Mit ihrem Urteil retten die Karlsruher Richter bis auf Weiteres jene fast fünf Milliarden Euro, welche die Bundesländer bisher jährlich über Glücksspiele an Steuern einnehmen.

Weniger Geld für Sport
Auch der Sport profitiert mittelbar: Er bekommt aus den staatlichen Wettgewinnen erhebliche Zuschüsse, gleiches gilt für Kultur und soziale Einrichtungen. Rund 410 Millionen Euro fließen jährlich allein in die Sportförderung. Eine Liberalisierung des Wettmarktes würde daher dem Breitensport teuer zu stehen kommen. »Heute ist nicht abzusehen«, sagt Manfred von Richthofen, Präsident des Deutschen Sportbundes, »wie der Sport in seiner ganzen Breite einen Ausgleich für die dann wegbrechenden Einnahmen bekommen kann.«
Dabei bilden Sportwetten lediglich ein geringes Volumen des gesamten Glücksspielmarktes. Die Lotto-Tochtergesellschaft Oddset hat im vergangenen Jahr 430 Millionen Euro Umsatz erzielt, nur sechs Prozent des Gesamtumsatzes des staatlichen Deutschen Lotto- und Totoblocks. Dazu kommen private Spielbanken und Glücks-spielautomaten, die mit staatlichen Konzessionen arbeiten. Und auch die private Oddset-Konkurrenz hat lukrative Nischen besetzt. Gera-Sportwetten und drei andere Anbieter operieren mit Konzessionen nach DDR-Recht in Sonderstellung.
Gegen illegale Wettbüros soll in Erwartung des Urteils seit einiger Zeit von der Polizei nur noch halbherzig vorgegangen worden sein. Ohnehin hebelt das Internet nationales Recht aus: So kann bei ausländischen Anbietern auch auf die nächste Gelbe Karte oder das Glücksspiel-Urteil des Bundesverfassungsgerichts gewettet werden.
Privater Marktführer in Deutschland ist die an der Wiener Börse notierte BETandWIN.com Interactive Entertainment AG. Da auch in Österreich ein staatliches Wettspielmonopol gilt, lässt Betandwin mit einer Konzession aus Gibraltar hierzulande wetten. Das Interesse an Sportwetten ist nach dem Schiedsrichterskandal im Fußball gestiegen. Studien zufolge interessieren sich 10,4 Millionen Bundesbürger für Sportwetten, 6,9 Millionen sind bereits aktive Wetter.

DFB-Wette auf Eis
Mit dem Urteil haben sich die Hoffnungen der privaten Wettbranche auf eine Liberalisierung vorerst zerschlagen. Pläne des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL), eine eigene Sportwette anzubieten, sind ebenfalls vorerst auf Eis gelegt.
Bis Ende 2007 muss der Gesetzgeber nun entscheiden, ob er die für den Fiskus lukrativen Wetten wegen Suchtgefahr bremsen will oder doch privaten Anbietern freien Zutritt zum deutschen Markt gewähren will. Beides würde jedoch der Spielsucht keinen Abbruch tun.
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