Gefühlte Verbote, umzäunte Leinwände

Europäische Fußballfans und deutsche Polizisten trafen sich bei einem Kongress

  • Matthias Gärtner, Bonn
  • Lesedauer: 3 Min.
Knapp 140 Teilnehmer aus 15 Ländern trafen sich bei einem zweitägigen Kongress der Friedrich-Ebert-Stiftung, um unter dem Motto: »Fans for Football« WM-Themen zu diskutieren: Rassismus im Fußball, Kommerzialisierung des Sports, Fanaktivitäten während der WM und so weiter. Umstrittenstes Thema war jedoch die Sicherheit: Fans als Sicherheitsrisiko oder zu Gast bei Freunden? Im Workshop klagten vor allem die Teilnehmer, die sich der deutschen Fußballfan-Szene zuordnen, über eine Zunahme von Polizeirepression in den letzten Monaten. Brennpunkte: die Auswärtsspiele des jeweiligen Klubs. Eingepfercht in Bussen oder Zügen, keine Bewegungsfreiheit am Spielort und Polizisten in martialischem Aufzug bilden immer wieder das selbe Rahmenprogramm. »Damit wird natürlich die Stimmung schon im voraus negativ aufgeheizt«, so ein Teilnehmer. Eine junge Frau aus Hamburg klagte: »Wir bekommen die Sicherheitskonzepte der WM jedes Wochenende zu spüren.« Das bestätigte auch Thomas Schneider von der Koordinationsstelle Fanprojekte. Es gebe eine Art »gefühltes Stadionverbot.« Das Verhältnis zu den Sicherheitskräften im Ligaalltag sei angespannt. Dafür spreche auch, dass im letzten Jahr die Anzahl der Stadionverbote und Einträge in die bundesweite angelegte Datei »Gewalttäter Sport« angestiegen sind. Jörg Radek von der Gewerkschaft der Polizei zeigte Verständnis für den Ärger der Fans. Auch ihm missfällt die Sicherheits-Hysterie vor der WM: »Mir passt es nicht, wenn bestimmte politische Kreise über den Einsatz der Bundeswehr während der WM schwadronieren.« Radek möchte nicht, dass die Polizei zum Spielverderber der WM wird. Die Kongress-Teilnehmer (www.fansforfootball.org) aus Italien und den Niederlanden hatten ganz praktische Fragen. Wie werden die Grenzkontrollen stattfinden? Wer kann aus welchen Gründen abgewiesen werden? Wie werden die Bedingungen bei den Großveranstaltungen auf Marktplätzen sein? Letzteres interessierte vorrangig, denn tausende ausländische Fans werden kein Ticket für das Spiel ihres Teams erhalten. So stehen für die normalen Fans aus Tschechien nur 1000 Tickets pro Spiel zur Verfügung. Zwei Drittel des Kartenkontingents hat der tschechische Fußballverband an Sponsoren oder sich selbst vergeben. Allerdings ist jetzt schon abzusehen, dass in den 12 WM-Spielorten unterschiedlich mit den sogenannten »Public-Viewing-Veranstaltungen« verfahren werden wird. Vorauszusehen ist, dass es sich um umzäunte Orte handeln wird, bei denen mit Einlasskontrollen zu rechnen ist. Bei bestimmten »Risikospielen« wird es ein Alkoholverbot geben. Optimismus wollte bei der abschließenden Podiumsdiskussion Willy Kösling vom Stab Sicherheit WM 2006 im Bundesinnenministerium verbreiten. Im Bezug auf die Polizei erläuterte er die Devise, mit der das Ministerium deeskalieren will: »Die Polizisten müssen das Schmunzeln lernen.« Nur so könne man das Motto »Zu Gast bei Freunden« in die Tat umsetzen. Kösling versicherte: »Die Vollzugsbeamten freuen sich auf die WM.« Das gefiel Kevin Miles, Fan aus aus England. Miles will, wie weitere 40 000 Fans von der Insel, zum Auftaktspiel der Engländer in Frankfurt anreisen. Worauf es ihm dabei ankommt? »Hauptsache ist, dass wir freundlich von der Polizei empfangen werden.«
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