Keine Prügelhelden

Boxtrainer aus dem Osten bringen gefallene Profis auf Erfolgskurs

  • Günther Berg
  • Lesedauer: 3 Min.
63 Runden bisweilen erstklassiges Boxen erlebten 4200 Zuschauer vergangenes Wochenende in der Kieler Ostseehalle. Dabei hatte Universum-Boss Klaus-Peter Kohl nur sein »Fallobst« geschickt. Lockten bei den Frauen noch Ringduelle von Julia Sahin und Ina Menzer um WM-Gürtel, so kletterten bei den Männern nur Wiedergenesene, Profi-Neulinge und gescheiterte WM-Herausforderer in den Ring. Aber: Was die Fans zu sehen bekamen, war alles andere als Rummelboxen. Ob der Türke Sinan Samil San, der Ukrainer Alexander Dimitrenko, der Russe Alexander Alexejew oder die beiden Deutschen Lukas Wilaschek und Thomas Ulrich, alle schlugen sich respektabel. »Keine wilde Keilerei, sondern technisch wertvolles Boxen«, urteilte Kohl. In sieben der neun Kämpfe stand ein Schützling eines Ost-Trainers in der Ringecke. Alle verließen als Sieger den Ring. Die WM-Gürtel für Julia Sahin (Köln), Ina Menzner (Mönchengladbach) und die Wiedergeburt zweier schon abgeschriebener Ringhelden wie Sam und Ulrich, ist ostdeutscher Trainerkunst zu verdanken. Die beiden Frauen und den Profi-Neuling Wilaschek führte der Schweriner Michael Timm zum Erfolg. Der frühere DDR-Nationaltrainer Fritz Sdunek (84 Profi-WM-Kämpfe) holte den lange verletzten Schwergewichtler Dimitrenko und den bei seinem WM-Kampf furchtbar verprügelten Sinan Samil Sam aus der Versenkung. Der gebürtige Mecklenburger und heute in Brandenburg lebende Torsten Schmitz kitzelte aus Thomas Ulrich nach dessen schmerzender K.o.-Niederlage gegen Weltmeister Thomasz Adamek (Polen) wieder alte Leidenschaft heraus. Es steckt wohl keine Überheblichkeit dahinter, wenn Champion-Trainer Manfred Wolke allen sagt: »Wir Trainer aus den neuen Bundesländern gehören durch unsere solide theoretische und praktische Ausbildung zu den besten Trainern der Welt.« Coach Timm kann auf fünf, Sdunek auf mehr als 60 Weltmeister verweisen. Schmitz wiederum schaffte am Sonnabend mit Schützling Thomas Ulrich gegen den starken Nicaraguaner Henry Seanz einen klaren Punktsieg. Dabei wollte Ulrich nach seiner Schlappe gegen Adamek die Handschuhe bereits an den Nagel hängen. Nach fünf Trainer-Wechseln landete der sensible Boxer jetzt wieder bei Schmitz im Berliner Gym am Wedding. »Ich habe vor zehn Jahren schon einmal bei Schmitz trainiert. Ich bin überzeugt, mit ihm schaffe ich noch einmal einen WM-Kampf«, verkündete Thomas Ulrich. Was aber ist das besondere an den ostdeutschen Trainern? Schmitz erklärt es sich so: »Wir erziehen keine Prügelhelden. Am Ende wird sich nämlich nur der durchsetzen, der das Boxen in seiner Komplexität beherrscht. Technik und Schlagkraft müssen eine Einheit bilden. Dann sieht das Boxen auch ästhetisch aus.« Technik und Schlagkraft führte Schmitz-Schützling Ulrich in Kiel fast schon in Perfektion vor. Das überzeugte auch Promoter Kohl: »Wir werden Thomas noch mit einem WM-Sieg erleben. Einen besseren Kampf als heute von Thomas habe ich nach Dariusz Michalczewski im Halbschwergewicht noch nicht gesehen.« Auch wenn Kohl hier vor allem in eigener Sache die Werbetrommel rührt, ist zu wünschen, dass er Recht behält: Ein zweiter deutscher Weltmeister neben Markus Beyer stünde dem deutschen Profi-Boxen, das uns beinahe jedes Wochenende im Fernsehen vorgesetzt wird, gut zu Gesicht.
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