- Politik
- »konkret« auf einer CD-Rom
20 Jahrgänge
Es gibt eine Zäsur in der Geschichte der linken Zeitschrift »konkret«, die noch kaum richtig gewürdigt wurde. Mit der Verbreitung von AIDS verschwand das Thema Sexualität von den Titelseiten. Zumindest erschien 1986 letztmalig ein Sonderheft mit entsprechendem Titel. Danach beschränkten sich die Sonder ausgaben des in Hamburg verlegten Blattes auf die Literatur.
Dass man das jetzt wissen kann, ist der kleinen Silberscheibe zu verdanken, die für den stolzen Preis von 230 Mark (Studenten zahlen 180 Mark) zu haben ist. Wer sich schon vor drei Jahren die »konkret«-Jahrgänge 1987 bis 1996 zugelegt hat, erhält das so genannte Update, das ihn auf den Stand von 20 Jahren »konkret«-Archiv bringt, für 80 Mark. Dafür wird man mit der Verheißung getröstet, zu einem illustren Kreis der Wissenden zu gehören, sollte man sich zum Kauf des Produkts entscheiden, »Lesen, was andere nicht wissen wollen« - mit diesem Slogan werben die »konkret«-Macher für ihr Blatt und für die CD. 20 Jahrgänge - von 1980 bis 1999 - können im PC-Zeitalter am Bildschirm gelesen werden. Wer s tut, ist sich zumindest sicher, dass er mehr gelesen hat, als andere laut »konkret« nicht zu wissen bereit sind.
Wissen kann er aber auch einiges. Zum Beispiel, wer wann welche Artikel zu welchem Thema geschrieben hat. Manche Autorenschaft ist dem Schreiber heute wahrscheinlich peinlich. »Schlaf, mein Michel, schlaf ein, der Strauß ist ja kein Hitler, auch wenn er so spricht, und der große Krieg wiederholt sich nicht, so schlimm wie es war, wird's nie wieder sein, nein, es wird schlimmer!« Der, der diese Verszeilen im Mai 1980 in der »konkret« veröffentlichte, saß fast zwei Jahr zehnte später im Kaminzimmer in Wildbad Kreuth in trauter CSU-Runde und heißt Biermann, Wolf. Zeiten ändern sich, nicht aber Hermann L. Gremliza, der Herausgeber der »konkret«, »konkret ex press« heißt seine Kolumne, in der er Monat für Monat den Anspruch formuliert, der gestrengste Sprachkritiker deutscher Feder seit Karl Kraus zu sein.
Gerne hätte der Rezensent nochmals jene »konkret«-Ausgabe gelesen, in der sich Gremliza als notorisches SPD-Mitglied outete. Die Recherchefunktionen, die von den Verfassern der CD-Rom angepriesen werden, erwiesen sich jedoch als wenig hilfreich. Im Index Verzeichnis werden zwar Schlüsselworte angekündigt, angezeigt werden allerdings lediglich Autoren- Namen. Und die Volltextsuche ergab stets das Ergebnis: »Keine Themen gefunden«. Ein Wermutstropfen. Keine Themen zu haben, ist jedoch schlimmer.
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