Eisbeinpflicht beim Marathon

  • Thomas Wieczorek
  • Lesedauer: 2 Min.
Wie es aussieht, können die WM-Sponsoren den Bürgern vorschreiben, was sie in den heiligen Stadien und den dazugehörigen Bannmeilen zu essen und zu trinken haben. Dem Vernehmen nach sollen den nichts ahnenden und bis dato gesunden Fans beispielsweise jene weltberüchtigten Limos aufgenötigt werden, die auch der Notfallarzt bei Vergiftungen zur schnellen Magenentleerung verabreicht. Positiv betrachtet, ist dies allerdings nichts anderes als das Erfolgrezept der Eltern unserer Großeltern: Es wird gegessen und getrunken, was auf den Tisch kommt. Deshalb könnte es gut sein, dass dieses Beispiel auch nach der WM und auch weit über den Fußball hinaus Schule macht. Vielleicht gibt's die Karte für den Handballschlager Kiel gegen Magdeburg bald nur noch inklusive eines Kilos Sprotten, und das Leichtathletikticket nur bei gleichzeitigem Ratenkauf eines Kleinwagens. Womöglich müssen die Eisbärenfans vor dem Besuch des Berliner Wellblechpalastes ihre Heizung von Strom auf Gas umstellen, und vielleicht sind die Zuschauer beim Kunstturnen gar keine mitfiebernden Teamkameraden, sondern zwangseingekleidete Normalzuschauer. Schon bald würde dieses Erfolgsrezept dann auf den Breiten- und Freizeitsport übergreifen. Um ins Schwimmbad zu kommen, müssten wir dann einen Kasten von Günther Jauchs Lieblingsbier erwerben und vor dem Schlittschuhlaufen auf einem zugefrorenen See eine Klatschzeitschrift abonnieren. Gut möglich, dass zum Volksmarathon eines Tages der Kauf und werbewirksame Verzehr eines Eisbeins mit Sauerkraut und Erbsenpüree - im Süden Schweinshaxe - gehört. Selbst die Pedalritter wären dann nicht sicher: Würden die Sponsoren der Tour de France nämlich unsere vergammelnden Radwege sanieren, so müssten wir im Gegenzug sicherlich kostenpflichtig unsere Hausapotheke auffüllen. Wenn dann in nicht allzu ferner Zukunft auch noch der Gang zum Bäcker als »Nordic Walking ohne Stöcke« gewertet wird und nur noch nach Abschluss einer Lebensversicherung gestattet ist, dann ist der Sport endgültig in der Marktwirtschaft angekommen.
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