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  • Politik
  • ? Seeunfälle der Handels- und Fischereiflotte der DDR

Kollision auf dem Rio de la Plata

  • Lesedauer: 4 Min.

Von Dieter Flohr

Am 23. April 1953 fischte der Rostocker Logger »Ros Solidarität« nordöstlich der Insel Bornholm beim Gotlandtief. Dieser Bereich gehörte zu den damals noch zahlreichen Sperrgebieten der Ostsee. Es war in den Seekarten als Munitionsversenkungsgebiet kenntlich gemacht. Darin Netze auszuwerfen, war zwar verboten, doch auch polnische und russische Fischer ignorierten das Verbot. Und eben auch die Rostocker. Plötzlich stellten sie erschrocken fest, dass sie einen Behälter »gefangen« hatten. Sie glaubten zunächst, es handele sich um eine Bombe. Es war ein Behälter, den sie nun eilig aus dem Netz herauszuschneiden versuchten. Dabei kamen sechs Fischer mit diesem in Kontakt. Am Abend zeigten sich bei ihnen Bläschen auf der Haut. Symptome einer Senfgas bzw. Gelbkreutzvergiftung. Die Sechs wurden ins Saßnitzer Krankenhaus eingeliefert. Die Havariekommission, später- Seekammer der DDR, nahm ihre Arbeit auf...

1985 teilte die dänische Regierung der DDR in einem Aide memoire mit, dass zwischen 1945 und 1948 etwa 50 000 Tonnen deutsche Gasmunition in die Ostsee gekippt wurden. Einer der Ausfuhr häfen war Wolgast. Die Aktion lag in der Verantwortung der sowjetischen Besatzungsmacht.

Ein anderer Fall: Am 25. September 1969 steuerte das MS »Schwarzburg« der Deutschen Seereederei, den argentinischen Hafen Buenos Aires an. Lotse und Kapitän vereinbarten, auf dem Rio de la Plata eine Geschwindigkeit von 15, später 12 Knoten. Der Schiffsweg Canal Punta Indio ist durch Tonnenpaare vorgegeben,

zwischen denen eine strenge international bekannte Verkehrsregelung zu beachten ist. Gegen 22 Uhr kam der Dampfer »Sagittarius«, ein Liberty-Frachtschiff, Baujahr 1943, in Sicht. Es hatte 9920 Tonnen Mais geladen. Der deutsche Kapitän ging davon aus, dass der Gegenkommer vor schriftsgemäß abwarten würde, bis die »Schwarzburg« eine navigatorisch schwierige Enge des Fahrwassers passiert haben würde. Doch der die Flagge Liberias führende indonesische Dampfer behielt seine Fahrt unvermindert bei und manövrierte plötzlich in Querlage vor dem Rostocker Stückgutfrachter. Mit ungeheurer Wucht bohrte sich gegen 22.21 Ühr der Bug der »Schwarzburg« mittschiffs in den »Sagittarius«. Vier Männer der Besatzung waren auf der Stelle tot. Durch ein Rück wärtsmanöver der »Schwarzburg« trennten sich die Kollisionspartner wieder. Die deutschen Seeleute eilten sogleich mit einem Beiboot den Gerammten zu Hilfe.

Da die DDR damals von Argentinien noch nicht diplomatisch anerkannt war, wurde die »Schwarzburg« von den argentinischen Behörden kurzerhand beschlagnahmt und die gesamte Besatzung erkennungsdienstlich erfasst. Obwohl eindeutig die Mannschaft der »Sagittarius« falsch gehandelt hatte, zogen sich die Untersuchungen der Behörden über Monate hin. Der DDR-Kapitän kam sogar erst nach einem Jahr wieder frei. Die westdeutsche Presse ritt, ohne den Sachstand zu kennen, giftige Attacken gegen die Seeleute aus dem anderen Deutschland. In diesem hingegen wurde der Fall gründlich untersucht. Die Seekammer der DDR kam am 19 Februar 1971 zum Urteil, dass die Schiffsleitung der MS »Schwarzburg« kein Verschulden trifft und sie völlig korrekt gehandelt hat.

»Auf Kollisionskurs« heißt das Buch, mit dem Friedrich Elchlepp und Manfred Kretzschmar erstmals eine geschlossene Darstellung aller 2423 Unglücksfälle in der Handels- Fischerei- und Technischen Flotte der DDR von Bränden, Kollisionen, Maschinenhavarien bis hin zu tragischen Untergängen - vorlegen. Wie sie in ihrem Vorwort betonen, waren diese Seeunfälle zumeist auf menschliches Versagen zurückzuführen, weniger auf technische Störungen. Bereits in ihrem ersten Buch »Katastrophen auf See« hatten die Autoren festgestellt, dass die meisten Seeunfälle in der so genannten Hundewache, also zwischen Mitternacht und vier Uhr in der Frühe, sowie auf heimatlichem Kurs und an Freitagen stattfanden.

Die beiden Autoren haben akribisch die Untersuchungsakten und Sprüche der Seekammer der DDR gesichtet. Die Kapitäne Frithjof Pielenz und Dieter Rapphahn, die über Jahrzehnte der Seekammer vorsaßen, haben nicht nur für akribische Aufklärung der Umstände einer Katastrophe gesorgt, sondern auch dafür, dass die Akten aufbewahrt und nicht nach Ablauf der amtlichen Frist ver nichtet wurden. So sind diese den Zeitzeugen und Nachgeborenen als Erinnerungsstützen bzw. lehrreiche Lektüre er halten geblieben. Das Buch bietet zugleich einen reichen Fundus für Fakten und Informationen aus der deutschen Nachkriegsgeschichte Als er noch Kanzlerkandidat der SPD war, versprach Rudolf Scharping, sich für die friedliche Nutzung des Bombenübungsplatzes Freie Heide im Norden Brandenburgs einzusetzen. Heute kann sich der Verteidigungsminister daran nicht mehr erinnern. In dem von Susanne Hoch und Hermann Nehls herausgegebene Band »Bürgerinitiative Freie Heide. Bombodrom - nein danke!« wird detailliert über die Protestbewegung informiert (Espresso Verlag, 320 S., 29,90 DM).

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