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Froh schlägt das Herz im Reisekittel..

Beim Bauernhof-Urlaub sind Relaxen, Reiten und Komplett-Angebote gefragt Von Jochen Fischer

  • Lesedauer: 4 Min.

Einst schufen sich die Landwirte mit dem Urlaub auf dem Bauernhof ein zweites Standbein. Die Gäste, die ihre Ferien in uriger Landidylle verbrachten, garantierten einen notwendigen Nebenerwerb. Mit dem Strukturwandel der Landwirtschaft entwickelte sich inzwischen ein nahezu eigenständiger Gewer bezweig mit bunter Angebotspalette. Nach Ansicht von Rosel Neuhäuser (PDS), Mitglied des Bundestages, bietet der Landtourismus erhebliche Potenziale für Wertschöpfung, Beschäftigung und persönliche Einkommen in Struktur schwachen ländlichen Regionen.

Über 20 000 bundesdeutsche Höfe halten ihre Offerten bereit. Nach Über Schlagsrechnungen registrierte die Branche im vergangenen Jahr etwa 27 Millionen Übernachtungen. Umfragen besagen, dass vier Prozent aller Deutschen ihre schönsten Tage im Jahr auf dem Bauernhof oder als Landurlaub verbringen. Aber zwölf Prozent aller äußerten den Wunsch, einmal in der Natur ausspannen zu können. Da wird ersichtlich, welch große Möglichkeiten diesem Zweig noch innewohnen.

Auf der Grünen Woche unter dem Berliner Funkturm ging ND der Frage nach, welche neuen Tendenzen sich beim Landurlaub abzeichnen und welche Angebote zwischen Allgäu, Kap Arkona und Erzgebirge besonders gefragt sind?

Michael Schindl, Kurdirektor aus Oberstdorf, ist sicher, dass sich das Bild des Urlaubers auf dem Bauernhof erheblieh veränderte. »Es stimmt nicht mehr, dass es nur weniger Bemittelte und kinderreiche Familien ins Dorf zieht. Die Ansprüche veränderten sich erheblich«, schildert er. »Deswegen richteten zahlreiche Landwirte so genannte Kneipp-Gesundheitshöfe ein«. Etwa 90 Prozent aller Bauern im Oberallgäu, im Dreieck zwischen Immenstadt, Oberstdorf, Hindelang gelegen, wirtschaften übrigens nach Kriterien des ökologischen Landbaus. Das alles habe natürlich seinen Preis, meint Schindl. So könnte man mit Wilhelm Busch anfügen: »Froh schlägt das Herz im Reisekittel, vorausgesetzt man hat die Mittel«.

Die müssen aber da sein, denn Bäuerin Gerlinde Blenk aus Wertach erzählt, dass die Nachfrage bei Gesundheitsurlaub groß ist. Auf ihrem Hof errichte sie z.Z. ein Objekt, in dem man richtig relaxen kann. Saunalandschaft, Wintergarten und vieles mehr entstehen. Und die Bäuerin des Weibelhofes aus Blaichach-Gunzesried meinte, wir sollten uns doch selbst einmal Solarium, Saunalandschaft, Heilkräuter garten, Whirlpool, Gesundheitsbäder, Fitnessrraum, und Massagen gönnen.

Am deutschen Nordkap auf Rügen macht im wahrsten Sinne des Wortes Putgartens Bürgermeister Ernst Heinemann Wind - für die Urlauber, versteht sich. Er schwört auf Komplettangebote. »Unsere Gäste wünschen, dass wir ihnen so viel wie möglich bieten: Fahrräder, geführte Wanderungen, regionale Geschichte und Geschichten, Verkostung von Inselerzeugnissen, Ausstellungen, Wasser und unberührte Natur. Trotz steigender Gästezahlen haben wir das zu bieten«, sagt er stolz. Besonders gern wird der äußerste Norden im Nordosten für den Kurs in den gemeinsamen Hafen der Ehe angepeilt. 224 Hochzeiten gab es im Jahr 2000 im Schinkelschen Leuchtturm. Und auf noch eins schwört Ernst Heinemann. »Nischen suchen und finden«. Eine heißt Brauerei. Sie entsteht auf dem Rügenhof. Demnächst wird man hier mit einem Nordkap-Gerstensaft anstoßen können.

»Das Erzgebirge›legte im vergangenen Jahr bei Übernachtungen um zehn Prozent zu«, weiß Christa Schwenke, Vorsitzende des Tourismusvereins im Annaberger Land. Sie bestätigt ebenfalls, dass der Gesundheitstourismus im Aufwind ist. Hoch im Kurs stehe in ihrer Region Reiterurlaub. »Wanderreiten von Gelenau bis Oberwiesenthal« heißt ein neues spezielles Angebot. Die Route ist 60 km lang und führt u.a. vorbei an den Greifensteinen und am Frohnauer Hammer.

Auf der Mecklenburger Seenplatte stehe, wie könnte es anders sein, Angeln ganz vorn an auf der Wunschliste der Landurlauber. Die Müritzfischer schafften sich, wie ihr Marketingchef Hartmut Timmermann sagte, eigens dafür einen Kutter an. Er weiß aber auch von steigender Nachfrage beim Erlebnisfischen zu berichten. Man geht mit an Bord eines Bootes und lernt die, schwere Arbeit des Fischers kennen. Außerdem kann sich der Urlauber an jedem Fischereistandort an den Gestaden der Müritz auch kulinar risch verwöhnen lassen.

»Will die Branche eine Zukunft haben, muß die Infrastruktur stimmen«, ist Ilse Gertz, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Urlaub auf dem Bauernhof und Landtourismus in Deutschland, überzeugt. Beispiel: das 400-Seelen-Dorf Bollewick im Müritzkreis. In der alten 125 m langen und 34 m breiten Feldsteinscheune entstand vor Jahresfrist ein touristischen Juwel. Ein Hotel mit allem Konfort steht den Gästen genauso offen wie eine Ladenstraße, mehrere Restaurants, ein Marktplatz mit Tanzfläche, Schauwerkstätten mit altem Handwerk und Bauernladen. Sabine Ladda betreibt hier ein kleines Cafe und eine Bäckerei. »Fast jeder Hotelgast nimmt sich von mir ein knuspriges Brot mit«, erzählt sie. Das Allerwichtigste jedoch: Die Bollewicker »Scheune« brachte wieder Leben ins Dorf.

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