Das Jahr der Wahrheit

Der Italiener Ivan Basso - der große Favorit beim 89. Giro dItalia

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.
Ivan Basso hat noch keine wichtige Rundfahrt gewonnen. Lediglich zwei Etappensiege beim Giro dItalia und einen bei der Tour de France stehen zu Buche. Dennoch wird der 28-jährige Italiener zum großen Favoriten des gegenwärtigen 89. Giro sowie der Tour de France im Juli erklärt. Das ist kein Wunder. Denn während Lance Armstrong die Rundfahrtszene dominierte, reifte in dessen Schatten der stille Mann aus Varese zum exquisiten Rennfahrer heran. Im ersten Jahr nach Armstrong fällt dem exzellenten Kletterer und passablen Zeitfahrer die Rolle des neuen Königs zu. In der Vorbereitung auf die neue Saison hat sich Basso geschunden wie noch nie zuvor. 10 000 Kilometer hat er bereits in den Beinen. Er ist gerüstet für die Berge und steigt alle zwei, drei Tage auf sein Zeitfahrrad, um beharrlich an einer Verbesserung seiner Leistungsfähigkeit in dieser Spezialdisziplin zu arbeiten. In dänischen CSC-Team von Bjarne Riis gilt er als unangefochtener Kapitän. Jeder im CSC-Team, sei es der verwegene Ausreißer Jens Voigt (Berlin), der Grandseigneur Bobby Julich (USA) oder der ehrgeizige Fabian Cancellara (Schweiz), betont, gerne alle seine Kräfte für den Erfolg von Basso in die Waagschale zu werfen und eigene Ambitionen zurückzustellen. Denn Basso hat etwas, was nur wenige Rennfahrer besitzen: einen Körper, einen Stoffwechsel, eine Muskulatur, die ihn die Strapazen einer dreiwöchigen Rundfahrt besser ertragen lassen als die meisten anderen. Das Bett scheint also bereitet für König Ivan den Sanften, zumal selbst Armstrong Basso zuletzt zu seinen eigenen aktiven Zeiten als schärfsten Konkurrenten bezeichnet und jetzt zum legitimen Nachfolger erklärt hat. Nur eine Stimme fehlt in diesem Chor - die von Basso selbst. »Ich fühle mich nicht als Favorit Nummer 1. Favoriten sind diejenigen, die den Giro bereits mindestens einmal gewonnen haben«, sagt er und verweist auf Paolo Savoldelli, den Prolog-Sieger beim 89. Giro, oder Gilberto Simoni und Damiano Cunego (alle Italien). Man mag diese Auskunft als den Versuch abtun, die Favoritenbürde auf andere abzuwälzen. Man mag sie auch für ein weiteres Beispiel der Bescheidenheit des Ivan Basso halten. Doch es lohnt sich, ihm genauer zuzuhören. »Der Giro ist ein anderes Rennen als die Tour de France. Ich bin an den Herausforderungen der Tour gewachsen. Dort bin ich zu Hause.« Den Giro hingegen kenne er kaum. »Ich bin ihn nur zwei Mal gefahren: Das erste Mal zu Beginn meiner Karriere, das zweite Mal musste ich meine Mannschaft erst überzeugen, überhaupt zum Giro zu kommen. Dort hat sie alles für mich getan. Ich habe zwei Etappen gewonnen und das Rosa Trikot für zwei Tage getragen. Doch dann kam eine Erkrankung, und ich habe alles verloren. Der Giro 2005 war deshalb für mich eine große Enttäuschung. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass ein schlechter Tag, eine Erkrankung, ein Fehler ausreichen, um in den Tiefen zu verschwinden.« Eine weitere Schwierigkeit hält das Jahr 2006 für Basso bereit. Erstmals ist er nicht einer der Herausforderer, der sich beweisen kann, aber nicht muss. Heute ist er der, an dem sich alle orientieren, der gejagt wird. Das ist eine völlig neue psychologische Situation. Ein weiteres Argument für ihn: Mit 28 Jahren ist er im besten Rennfahreralter. Doch schließt sich sich dieses Zeitfenster nach zwei, drei Saisons. 2006 ist demzufolge das Jahr der Wahrheit: Bleibt er ein »ewiges« großes Talent, oder steigt er zu einem erfolgreichen Rundfahrer auf. Der Druck auf ihn wächst. Dessen ist sich Basso bewusst. Seine Fähigkeit zur Eigenanalyse ist eine weitere Stärke, die an seinem Durchsetzungsfähigkeit noch weniger zweifeln lässt. 2. Etappe, Mons-Charleroi - Marcinelle (197 km): 1. McEwen (Aus) 4:51:40, 2. Pollack (Kolkwitz), 3. Bettini, 4. Petacchi (beide Ita), 5. Duque (Kol), 6. Vaitkus (Lit), ... 11. Schumacher (Nürtingen), 25. Förster (Markkleeberg), ... 97. Voigt (Berlin), 128. Ullrich alle gleiche Zeit. Gesamtwertung: 1. Savoldelli (Ita) 4:59:30, 2. McGee (Aus) +11 s, 3. Cataluna (Spa) + 13, 4. Schumacher (Nürtingen) gl. Zeit, 5. Gontschar (Ukr) + 15, ... 12. Pollack (Kolkwitz) + 21, 15. Voigt (Berlin) + 25, 78. Ullrich (Scherzingen) + 49.
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