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Warum ein geschiedener Mann sein Leben nicht einfach ändern darf

| Gesetzesänderung | PDS-Familienpolitikerinnen wollen eigenständige Existenzsicherung statt Unterhalt für Ex-Ehefrauen

  • Lesedauer: 4 Min.

Von Silvia Ottow

Geschiedene Ehefrauen haben in der Bundesrepublik Anspruch auf Unterhalt durch ihren Ex-Mann. Damit wird das Versorger-Prinzip der Alleinverdiener-Ehe nach der Trennung des Paares fortgesetzt und die Abhängigkeit der betroffenen Frauen zementiert. Mit Gleichberechtigung hat das allerdings nicht viel zu tun.

Es war einmal ein geschiedener Mann. Der tauschte nach der Scheidung mit seiner neuen Freundin die üblichen Familienrollen. Er kümmerte sich daheim um das gemeinsame Kind und die Mutter dieses Kindes ging arbeiten und ernährte den Mann.

Zuständig für den seltsamen Fall war das Oberlandesgericht Zweibrücken, das relativ verständnisvoll auf diesen männlichen Sinneswandel reagierte und nicht a priori annahm, dass selbiger Mann sich um seine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der «Ex» drücken wollte - wie man es ja auch annehmen könnte. Es kürzte der geschiedenen Ehefrau den Ehegattenunterhalt von 800 auf 200 Mark, worüber die Frau verständlicher weise nicht entzückt war. Der angerufene Bundesgerichtshof (BGH) urteilte in deren Sinne und erklärte die Unterhaltskürzung für unwirksam. In der vorigen Woche entschied der BGH, eine geschiedene Partnerin müsse den Rollentausch ihres Ex Mannes nicht hinnehmen. Dem sei in diesem Falle eine Vollerwerbstätigkeit zuzumuten, um für den Unterhalt seiner alten Familie aufkommen zu können.

«Hier hat sich das Dogma von der Unauflöslichkeit der Ehe mit eingeschlichen», vermutet Gunhild Gutschmidt, Fachreferentin für Familienpolitik bei der PDS. Gutschmidt arbeitet momentan an einem Antragsentwurf zur «eigenständigen Existenzsicherung statt nachehelichen Unterhalts», der in Verantwortung der familienpolitischen Sprecherin der PDS, Christina Schenk, entsteht. Schenk war die gegenseitige Abhängigkeit von Ehepartnern sowohl während als auch nach Beendigung der Ehe schon immer ein Dorn im Auge. Besonders entsetzt war sie, dass dieses Modell auch bei der eingetragenen Partnerschaft für Schwule und Lesben Pate gestanden hatte. Sie will die Debatte über diese Probleme «am Kochen» halten, auch die über den besonderen Schutz der Ehe. Diese Formulierung muss ihrer Meinung nach auch aus dem Grundgesetz gestrichen werden.

Vielen Frauen im Osten sei der Gedanke entsetzlich, nach einer Trennung von ihrem Ehemann durch finanzielle Vorgänge zwangsweise weiter an ihn gekuppelt zu sein. Sie würden auf einen solchen Unter halt weitgehend verzichten, wenn sie eine existenzsichernde Beschäftigung hätten, denn anders als im Osten spielte die Ein- Verdiener-Ehe hier in der Vergangenheit kaum eine Rolle. Momentan leben 25 Prozent der verheirateten Ost-Frauen in einer solchen «Versorger-Ehe». Wie viele davon dies freiwillig tun, ist nicht bekannt.

In Westdeutschland sind rund 40 Prozent der verheirateten Frauen im er werbsfähigen Alter nicht erwerbstätig und auch nicht über gemeldete Arbeitslosigkeit in die sozialen Sicherungssysteme integriert. Sie sind also im Falle einer Ehescheidung auf private Alimentierung angewiesen, um ihre Existenz zu sichern. Inwieweit dies durch den Ehegattenunterhalt tatsächlich geschieht, ist allerdings durch wenig Fakten untermauert. Gunhild Gutschmidt vermutet, dass lediglich 10 bis 20 Prozent der unterhaltsberechtigten Ehefrauen tatsächlich bekommen, was ihnen gesetzlich zusteht. Ob sie davon ihr Dasein wirklich fristen können, ist noch eine ganz andere Frage. Untersuchungen zufolge verschlechtert sich die Einkommenssituation geschiedener Frauen um ein Vielfaches gegenüber der geschiedener Männer.

Eine Abschaffung des Ehegattenunter halts setzt also voraus, dass es andere Möglichkeiten zur Existenzsicherung gibt. Der PDS-Gesetzentwurf sieht demzufolge vor, dass nicht erwerbstätige Verheiratete (Frauen und Männer) für die Zeit ihrer Haustätigkeit in die Arbeitslosenversicherung aufgenommen werden. Grundlage für die zu zahlenden Beiträge könnte das Haushaltseinkommen sein. Damit hätten die Betreffenden Anspruch auf Arbeitslosengeld und alle anderen Leistungen entsprechend dem Arbeitsförderungsgesetz. Teilzeitbeschäftigten Frauen und Männern, die Kinder oder Pflegebedürftige betreut haben, könnten bevorzugt Vollzeitstellen bekommen. Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche sollten aus dem BGB gestrichen werden, Übergangsregelungen sollten unbillige Härtefälle ausschließen. Parallel dazu, so Schenk, müssen natür lieh gesetzliche Regelungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung die Frauen dabei unterstützen, Familienarbeit paritätisch zu teilen.

«Jeder Mensch», unterstreicht Christina Schenk, «hat doch, ein Recht auf eigenständige Existenzsicherung.» Außer dem hätten jüngere Frauen bessere Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse als jede Frauengeneration vor ihnen. Mehr als 40 Prozent der Auszubildenden seien Frauen und von den Schulabgängern mit Fach- und Hochschulreife sind es sogar über 55 Prozent. Weder gesellschaftliche Konventionen noch rechtliche Zwänge hinderten Frauen heute an eigenständiger Erwerbsarbeit. Für die ostdeutschen Frauen ist Existenzsicherung durch Berufstätigkeit lange selbstverständlich gewesen. Daher kannte das Familienrecht der DDR einen nachehelichen Unterhaltsanspruch nur in Ausnahmefällen, begrenzt auf zwei Jahre.

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