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Mit den Waffen eines Torwarts

Hansa Rostock schlägt Bayern München mit 3 2, und Oliver Kahn dreht durch

  • Lesedauer: 5 Min.

Von Martin Krauß

So kann man auch Spiele entscheiden. Oliver Kahn zog die Fäustlinge an und tauchte in der 90. Minute im Strafraum seines Rostocker Torwart-Kollegen Martin Pieckenhagen auf. Es stand 3.2 für Hansa, da musste Kahn handeln, und zwar mit den Waffen eines Torwarts. Er bugsierte den Ball mit beiden Fäusten ins Hansa-Tor. «Instinktiv», muss es wohl gewesen sein, fand Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld, «er nahm halt die Fäuste und nicht den Kopf.» Und Oliver Kahn selbst, der dafür gelb-rot sah, wollte nichts sagen. Mit rotem Kopf ging er nach dem Spiel schweigend zum Mannschaftsbus. Martin Pieckenhagen übernahm die Er klärung aus dem Mund eines Profitor warts. «Vielleicht dachte er, dass es keiner sieht. Oder er merkte, dass ich anders als mit den Händen heute nicht zu bezwingen bin.»

Kahns Faust war der Höhepunkt des Nachmittags im mit 20 500 Zuschauern ausverkauften Ostseestadion. Dabei wäre das Spiel des Rekordmeisters gegen den Abstiegskandidaten aus Ostdeutschland auch ohne Kahns Faust-Einsatz hektisch, dramatisch und irgendwie auch historisch gewesen.

Zum einen gewann Rostock nunmehr beide Saisonspiele gegen Bayern München wie zuvor auch beide Saisonspiele gegen Bayer Leverkusen. Zudem hat Rostock nun eine Serie von vier Spielen ohne Niederlage bzw. drei Siegen in Folge aufzubieten. Und auch im Spiel ging es hoch her.

Kurz vor Kahns Aussetzer, auch in der 90. Minute, hatte Bayern-Stürmer Giovane Eiber den Ball schon zum vermeintlichen Ausgleich ins Hansa-Tor gesemmelt, aber Schiedsrichter Dr. Markus Merk pfiff ab: Eiber habe Torwart Pieckenhagen behindert.

«Die Entscheidungen mit den zwei Toren waren hundertprozentig richtig», gab Hansa-Trainer Friedhelm Funkel von sich, «das erste war gefährliches Spiel, und über das zweite brauchen wir ja nicht zu diskutieren.» Auch der ums Tor gebrachte Eiber lobte: «Der Schiedsrichter war gut, wie müssen halt nächstes Wochenende besser spielen.»

Bayern München wollte ja auch gar nicht über das nicht gegebene Eiber Tor debattieren. Manager Uli Hoeneß hatte sich ein anderes Thema ausgeguckt: In der 68. Spielminute - es stand schon 3.2 für Hansa - war Stefan Effenberg von Torwart Pieckenhagen im Strafraum angegangen worden, gefallen und hatte Elfmeter gefordert. Stattdessen sah er gelb - wegen Schwalbe. Das muss in Hoeneß lange gegärt haben, denn nach dem Spiel lief ein aufgebrachter Uli Hoeneß sofort in die Kabine von Hansa, und dort soll ihm - so ein Mitspieler Pieckenhagen bestätigt haben, dass es ein Foul war. Hoeneß mar schierte daraufhin mit hochrotem Kopf in die Schiedsrichterkabine, aber sein Krisenmanagement blieb wirkungslos. «Wir haben uns sehr gut unterhalten, auch über die Elfmetersituation», gab ein geschaffter Schiedsrichter Merk nachher als einzige Information preis, wollte aber statt mehr zu sagen, lieber ein paar Stunden Abstand bekommen.

«Von einer Elfmeter Situation kann man gar nicht sprechen», wehrte Martin Pieckenhagen ab, «schließlich hat der Schiedsrichter nicht gepfiffen.» Außer dem, so Pieckenhagen, «ist es ja immer die Frage, was man unter umhauen ver steht.»

Die Bayern regten sich mächtig auf. Co- Trainer Michael Henke («Ich habe heftig reklamiert ohne jemand zu beleidigen») wurde auf die Tribüne geschickt, und Torwart Oliver Kahn schoss voller Wut den Ball in den hinter ihm postierten Zuschauerblock, wofür er die gelbe Karte sah.

Kahns und Henkes Wut galt nicht allein dem Schiedsrichter, der in anderen Situationen durchaus auch Bayern-freundlich pfiff. Sie galt auch dem eigenen Unvermögen, aus einem überlegenen Spielbeginn einen Sieg machen zu können: Alleine vor dem Tor passte Jens Jeremies den Ball nach innen, auf die Brust von Victor Agali, der ihn annahm, Kahn umdribbelte und zur Hansa-Führung verwandelte (29.). Bayern konnte zwar durch Kuffour (33.)

ausgleichen, aber in der 51. Minute spielte Bachirou Salou gleich drei Bayern-Spieler aus, verwandelte zur erneuten Hansa- Führung und war Grund für aufkommende Hektik beim Meister. Ein scharf geschnittener Freistoß, den Andreas Jakobsson ins Tor köpfte (61.) schien Bayern den Rest zu geben, und das Anschlusstor von Jeremies (66.) brachte die Münchner nicht mehr ins Spiel, sondern in den Kampf. Trainer Hitzfeld brachte den leicht angeschlagenen Carsten Jancker als «die Brechstange, die man mal probiert», und Oliver Kahn faustete zum Höhepunkt des Spiels verkehrt herum.

Hansa Rostock überzeugte keineswegs spielerisch, aber Trainer Funkel wertete auch dies als einen vollen Erfolg: «Erst muss man das Spiel des Gegners zerstören. Wir können nämlich immer nur reagieren. Nur die ganz großen Mannschaften können agieren.»

Hansa: Pieckenhagen- Benken, Jakobsson, Emara Rydlewicz, Wibran, Schröder, Lantz, Baumgart Agali, Salou (84. Zallmann)

Bayern: Kahn Kuffour, Jeremies, Linke Sagnol, Fink (69. Sergio), Effenberg, Lizarazu (84. Tarnat) Salihamidzic (84. Jancker), Eiber, Scholl

Tore: 1:0 Agali (29.), 1.1 Kuffour (33.), 2:1 Salou (51.), 3:1 Jakobsson (61.), 3:2 Jeremies (66.)

Gelbe Karten: Lantz / Lizarazu, Effenberg, Jeremies, Eiber

Gelb-Rote Karte:Kahn (90. Minute wegen absichtlichen Handspiels)

B. Dortmund Eintracht Frankfurt 6:1 (1:0) Hansa Rostock Bayern München 3:2(1:1) Energie Cottbus Kaiserslautern 0:2 (0:0) Werder Bremen SC Freiburg 3:1 (2:0) VfB Stuttgart VfL Wolfsburg 2:1(1:0)

SpVgg Unterhaching VfL Bochum 2:1 (1:1) 1. FC Köln Hertha BSC 1:0 (0:0)

1860 München Leverkusen 1:0(0:0)

FC Schalke 04 Hamburger SV 0:1 (0:0) 13 5 6 41:29 44

1. Dortmund 24

2. Bay. München 24

3. FC Schalke 04 24

4. Leverkusen 24

5. Kaiserslautern 24

6. Hertha BSC 23 7 W.Bremen 24

8. SC Freiburg 24

9. 1860 München 24

10. 1. FC Köln 24

11. VfL Wolfsburg 24

12. Hansa Rostock 24

13. Hamburger SV 24

14. Unterhaching 22

15. E. Frankfurt 24

16. E. Cottbus 24 17 VfB Stuttgart 24 18. VfL Bochum 24

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