- Politik
- TURNEN: Wiedersehen mit Dieter Hofmann
Ein außergewöhnliches Jubiläum
Der ehemalige DDR-Turn-Verbandstrainer ging nach der Wende in. die Schweiz
Von Eckhard Herholz
Mehr als nur einen Geburtstags- Treff gab es vor zwei Wochen in der Schweiz, wo Dieter Hofmann, Deutschlands erfolgreichster Kunstturntrainer, seinen 60 feierte. Denn es war schon eine außergewöhnliche Party in Liestal bei Basel, zu der viele, viele kamen.
Nun ist ein runder Geburtstag an sich nichts Ungewöhnliches. Dieser jedoch schon, fand er doch nicht im Heimatland des Turn-Strategen, sondern in seiner neuen Wahlheimat Schweiz statt. Und noch dazu wenige Monate nach dem katastrophalen olympischen Abschneiden der deutschen Männer Turnriege in Sydney mit Rang 10 und damit dem schlechtesten Abschneiden deutscher Olympia-Turner im gesamten letzten Jahrhundert.
Dieter Hofmann einst DDR-Verbandstrainer der Männer hatte kurz vor der Wende bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul für das beste Ergebnis bei Olympia, das deutsche Turner je erreichten, gesorgt. Silber im Team hinter der Sowjetunion, Gold an den Ringen durch Holger Behrendt, Silber im Sprung durch Sylvio Kroll, dazu noch drei Bronzemedaillen - insgesamt zehn Finalplätze also. Unter der langjährigen Trainer-Regie von Dieter Hofmann gab es summa summarum 52 Gold- Silber und Bronzemedaillen für das DDR-Männerturnen.
Anders als mancher andere bekannte sich Dieter Hofmann nach der Wende weiterhin zu seiner Herkunft aus der DDR, und das auch politisch. Das verhinderte offensichtlich eine Weiterbeschäftigung in den Diensten des Deutschen Turner-Bundes, wo man Angst hatte, dass sich die öffentliche Meinung gegen solche Spitzenvertreter des untergegangenen DDR- Sportsystems richten würde. Auch Angebote des Schwäbischen Turnerbundes wurden letztlich deswegen nie konkret. So ergriff Dieter Hofmann 1991 die Möglichkeit der Bewerbung für eine Stelle im Nordschweizerischen Kunst- und Geräteturnzentrum in Liestal und arbeitet als Lehrer an der dortigen Gewerbeschule.
Es war ein absoluter Neubeginn in Reinkultur und sicher auch keine leichte Aufgabe für den damals 50-Jährigen.
Aber er befand sich (leider) in bester Gesellschaft mit weiteren über 30 vom DTB nicht weiterbeschäftigen Turn-Experten, die ihr über Jahrzehnte erarbeitetes Spezialwissen nun vorwiegend im Ausland zur Verfügung stellten. Aber man war in Liestal damals durchaus verblüfft, dass sich der Turn-Stratege aus der ehemaligen DDR, der sich drei Jahre zuvor noch mit der Turn-Supermacht UdSSR um olympisches Gold stritt, für eine Schweizer «Turn-Stunde Null» nicht zu schade war. Aber Dieter Hofmann bekannte, dass er halt «für das Turnen lebt».
Er überzeugte in seiner Umgebung alle mit einer ihm eigenen komplexen Art von Persönlichkeit, mit Konsequenz in Denken und Handeln, vor allem professioneller Arbeit und Menschlichkeit, die ihm auch eine außergewöhnliche Hochachtung und Wertschätzung eintrugen. Und er über zeugte in Liestal mit seinem pädagogischeinfühlsamen Umgang mit den turnenden Kindern und Jugendlichen.
Hofmanns Feier zum 60. Geburtstag war eine «Zeitreise in die Vergangenheit». Angereist war fast die komplette olympische DDR-Riege, die in Seoul 1988 Silber erturnte, mit Holger Behrendt (Ringe- Olympiasieger) und Andreas Wecker (Reck-Olympiasieger 1996), dazu Roland Brückner (Olympia-Gold am Boden 1980). Gekommen war noch ein Olympiasiegerder Schweizer-Chinese Lou Yun (Olympia- Gold am Pferd in Atlanta 1984). Über 130 Gäste aus Deutschland, Ungarn, Rumänien und den Niederlanden erwiesen dem Jubilar ihre Referenz.
Eine Referenz gegenüber einem Mann, für den unter deutschen Turnhallen-Dächern nach der Wende kein Platz war. Nicht nur das Know-how des DDR-Männer Turnens wurde in wesentlichen Teilen «entsorgt», auch von den deutschen Tur nerinnen spricht kaum noch jemand. Kein Wunder also, dass sich an diesem Jubiläums-Tag die Gesprächsrunden auch darum drehten. Und natürlich genauso darum, wie es dem Jubilar gelang, in Liestal ein Nordschweizerisches Turnzentrum aufzubauen, aus dem inzwischen Junioren-Landesmeister und Landesauswahlturner hervorgegangen sind. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis Liestaler Hofmann-Schützlinge in den Auswahltrikots der Schweiz antreten werden.
«Warum sollte es nicht auch wieder einen Olympiasieger der Eidgenossen geben, und warum sollte der nicht aus Liestal kommen?», stellte Hofmann lachend die Frage in die Runde. Die nötigen Bedingungen sind in Liestal jedenfalls professionell. 3,5 Millionen Schweizer Franken braucht man für einen fest geplanten Erweiterungsbau, knapp die Hälfte davon hat man schon. Die Kantons- Regierung und das gesamte Umfeld stehen hinter solchen Konzepten.
Die Liestaler «Hofmann-Schule» hat inzwischen einen guten Ruf, den sie auch beim OBI-Cup in Berlin, beim Weltcup in Cottbus und bei den Junioren-EM im vorigen Jahr in Bremen unterstrichen. Technische Kreationen unter Regie von Dieter Hofmann sollen bei den kommenden WM im belgischen Gent in einem speziellen Seminar vorgestellt werden. Und hier schließt sich der Kreis im Bedingungsgefüge für das Turnzentrum in Liestal um seinen «Macher» Dieter Hofmann.
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