Täter gesteht einen Zufalls-Mord
Haftbefehl nach Gentest / 6000 Spuren systematisch überprüft
Von Rainer Funke
Das Tatmotiv, das der vermutliche Mörder Stephan J nach stundenlangem Verhör in der Nacht zum Donnerstag äußerte, muss mit allerhand Fragezeichen versehen werden. Er hatte von einer zufälligen Begegnung gesprochen, von einem Ver kehrsunfall, nach dem er das Mädchen in Panik mitgenommen habe. Der Gedanke, sich an ihm zu vergehen, sei ihm erst später gekommen. Oberstaatsanwalt Carlo Weber meinte gestern vor der Presse, es blieben nicht wenige Widersprüche, die noch nachrecherchiert werden müssten.
Ebenfalls gestern erging Haftbefehl gegen den 25-jährigen Mann, nachdem die Ergebnisse des DNA-Testes bekannt geworden waren, und zwar wegen Mordes, sexuellen Missbrauchs, Nötigung und Brandstiftung, so Weber. Um Tathergang, Hintergründe, Person des Mörders und dergleichen weiter aufzuhellen, werde es zu umfangreichen Nachermittlungen kommen. Er sei der Polizei nicht unbekannt gewesen, allerdings wegen Eigentums- und Verkehrsdelikten, wegen Sexualtaten nicht.
Nach «schwieriger Kindheit ohne Eltern» sei der Mann schließlich in einem Kinderheim aufgewachsen, habe die Schule nach acht Jahren mit dem Abschluss der sechsten Klasse beendet, her nach aber keinen Fuß fassen können, weder in der Ausbildung noch im Berufsleben, weshalb er in Fürstenwalde von Sozialhilfe gelebt habe, so Weber.
Das Täterbild, das man bei den Ermittlungen favorisierte, sei richtig gewesen, meinte der Oberstaatsanwalt. Man war bekanntlich davon ausgegangen, dass der Mörder über ziemlich genaue Ortskenntnis verfügen würde. Tatsächlich sei J. in Strausberg geboren und aufgewachsen, habe seine weitere Kindheit in Eberswalde und Werneuchen verbracht. Dies sei deckungsgleich mit den Tatorten - dem Diebstahl des weißen «Polo», der Entführung Ulrikes und dem Fundort der Leiche und des roten T-Shirts. Auch habe man,
? 22. Februar- Ulrike Brandt (12) wird seit 15.30 Uhr vermisst. Sie war auf dem Weg zum Training. Später findet man ihr Fahrrad im Schnee - 400 m von ihrem Zuhause.
? 27 Februar: Lackspuren am Rad werden einem weißen ausgebrannten Pkw zugeordnet, der nahe Bernau entdeckt wird. Die Sonderkommission «Finow», zunächst mit 24, später mit 150 Ermittlern besetzt, findet im Auto Teile eines Rucksackes und einer Haarspange Ulrikes.
? 1. März: Der Oberstaatsanwalt bietet über die Medien dem Täter Strafmilderung an, falls der das Mädchen freilässt.
? 8. März: Fund der Kindesleiche in einem Wäldchen bei Werneuchen. Ein rotes T Shirt nahe dem Fundort scheint nach einer Kripo-Analyse dem Täter zu gehören.
? 21. März: Wie sich herausstellt, war ein in Stralsund festgenommener Verdächtiger nicht der Täter.
? 28. März: Die Polizei nimmt den Mörder in Fürstenwalde fest.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.