- Politik
- HANDBALL: Erstliga-Rückkehr der Schweriner Männer
In Schwerin geht jetzt die Post ab
Tolle Zweitliga-Saison des SV Post Schwerin, in 29 Spielen ohne Niederlage
Von Jürgen Holz
Kurz vor Ostern war bei den Handballern des SV Post Schwerin der Teufel los-. Nach dem 29 Saisonspiel in der 2. Bundesliga stand für den Traditionsverein drei Runden vor Saisonschluss der Aufstieg in die 1. Bundesliga fest. Damit kehren die in 29 Spielen ungeschlagenen Schweriner, die nur zwei Mal Remis spielten, neun Jahre nach dem Abstieg aus der Eliteliga wieder dorthin zurück!
«Es ist mein erster Aufstieg, und das mit 37 ein Wahnsinn», sagt der ansonsten coole Spielertrainer Holger Schneider und fährt sachlich fort: «Unser Konzept ist aufgegangen.» Der 37 Jährige ist einer der «Väter des Erfolgs». Noch vor zwei Jahren stand die einstige Schweriner Handball-Hochburg auf wackligen Füßen. Zu DDR-Zeiten spielte die BSG Post Schwerin seit 1970 in der Oberliga. Aber nach der Wende blieb auch der Schweriner Handball von den Wirren nicht ver schont. Dem Abgesang 1992 aus der 1. Bundesliga drohte sogar der Absturz in die Drittklassigkeit.
Just zu dem Zeitpunkt kehrte Holger Schneider zum alten Verein zurück. Der gebürtige Güstrower, der seine Laufbahn bei Post Güstrow begonnen hatte, war 1980 zu Post Schwerin delegiert worden. Von dort wurde er zum SC Empor Rostock geschickt, stieg in die DDR-Nationalmannschaft auf und bestritt insgesamt 99 Länderspiele (davon mehr als die Hälfte in der DDR-Auswahl). Er stand 1988 in der DDR-Olympia-Mannschaft (Rang 7), wur de 1990 mit der Auswahl WM-Achter und 1992 in Atlanta Olympia-Zehnter. Seinen größten Triumph erlebte er 1997 als Kapitän der SG Flensburg-Handewitt mit dem Europapokalgewinn.
«Ich ging vor zwei Jahren nach Schwerin zurück, um meine Karriere zu Hause ausklingen zu lassen», erzählt er. Aber die Lage war dort inzwischen bitter ernst. Der Trainer wurde entlassen, und Schneider übernahm im November 1999 das Zepter in Personalunion - als Spieler und Trainer. Unter seiner Regie kehrte der Erfolg zurück. Die Mannschaft wurde nicht nur vor dem Abstieg gerettet, sie rückte vom 18. sogar auf den sechsten Platz vor.
«Dieser Aufschwung», erklärt Schneider, «war auch der Ansatzpunkt für unser neues Konzept.» Ein Konzept, das er zusammen mit dem Aufsichtsrats-Chef Dr. Siegfried Friedrich konsequent durchzog. «Es ging darum, Schwerin wieder zur Handball-Hochburg zu machen», sagt er.
Das Bestreben von Schneider, von seinen Mitspielern als «Motivationskünstler» geschätzt, bestand schlicht und einfach darin, «Siegertypen auszuprägen». Begünstigt wurde das auch dadurch, dass zusammen mit Schneider vor zwei Jahren der 230-fache rumänische Nationalspieler Robert-Ioan Licu, der beim SC Magdeburg und danach beim ThSV Eisenach nicht recht glücklich wurde, nach Schwerin wechselte. Letzten Sommer stieß der 37 jährige Michael Krieter - Ex-Nationaltor hüter vom THW Kiel - zu den Schwerinern. Licu war vorige Saison Torjäger Nr. 1 in der 2. Liga und ist es derzeit wieder.
«Mir lag auch daran, gerade aus den jüngeren Spielern an der Seite der Profis mehr herauszukitzeln. Die Mannschaft ist mental viel stärker geworden», sagt Schneider und vergleicht sie mit früheren Zeiten: «Wenn wir früher auswärts spielten, war das wie eine Kaffeefahrt. Rein in den Bus und Karten gespielt, raus aus dem Bus und aufs Parkett, auf der Heimfahrt dann ein paar Bier im Bus.»
Wenn vom «neuen Konzept» in Schwerin die Rede ist, ist auch die Rede vom Nachwuchs. Das bewährte Sichtungssystem des DDR-Nachwuchsleistungssports wurde nach der Wende in engeren Grenzen fortgeführt. «Wir müssen schon aus finanziellen Gründen daran festhalten, den eigenen Nachwuchs zu fördern und ihm auch in der ersten Mannschaft eine Chance geben. Wenn zu unseren Heimspielen im Schnitt 5000 Zuschauer kommen, so stehen wir in der Pflicht, mit einer aus der Region erkennbaren Mannschaft aufzulaufen», stellt Schneider heraus. 11 der 14 Spieler sind Schweriner.
Der SV Post Schwerin steht inzwischen finanziell auf soliden Beinen. «Unsere Schulden sind abgebaut, aber wir bleiben auf dem Teppich», blickt Schneider nach vorn. Trotz schwieriger wirtschaftlicher Lage in der Region rechnet er mit einem Zulauf an Sponsoren.- «Wir haben einen Etat von 1,3 Millionen Mark und wollen für die nächste Saison auf 2,3 Millionen Mark kommen. Das ist machbar.»
Schneider wird übrigens nächste Saison nicht mehr als Spieler auflaufen. «Ich übernehme einen Full-Time-Job als Sportlicher Leiter und Trainer.» Seinen Part auf dem Feld soll der schwedische Nationalspieler Robert Hedin übernehmen. Schneider geht auch davon aus, dass «höchstens zwei neue Spieler geholt wer den» und «auf jeden Fall einige junge Leute aus der A-Jugend aufrücken».
In Schwerin soll also wieder richtig die (Handball-)Post abgehen. Und vielleicht ist es ein gutes Omen: Als DDR-Oberliga- Mannschaft ist Post nie abgestiegen!
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.