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Sparwasser-Tor betrübte Berti Vogts

Hobbyfilmer hat WM 74 auf Zelluloid gebannt und durfte zu DDR-Spiel

  • Volker Stahl
  • Lesedauer: 2 Min.
Herbert Lücking ist Hüter eines kleines Schatzes: Super-8-Filme, die er als Anwohner der Sportschule Malente drehte, wo die bundesdeutsche Fußball-Nationalmannschaft während der WM 1974 Quartier bezogen hatte.
»Der Geist von Malente« ist unter Fußballanhängern ein geflügeltes Wort. Bis 1994 ließen sich die deutschen Auswahlspieler seit Sepp Herbergers Zeiten - mit Ausnahme der Amtszeit von Jupp Derwall 1978 bis 1984 - vor den WM-Turnieren in der beschaulichen Holsteinischen Schweiz den letzten Schliff verpassen und von der besonderen Atmosphäre der Hügel- und Seenlandschaft inspirieren. Dann war Schluss. Die Sportschule mit dem Jugendherbergs-Charme war für die Edelkicker nicht mehr gut genug. 1974 war die Ausbildungsstätte des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbandes noch das Mekka der Fußballfans. Als die Kicker von Bundestrainer Helmut Schön sich Pfingsten mit einem Schützenfest gegen eine Auswahl aus dem nördlichsten Bundesland auf die WM einstimmten, bevölkerten tausende Fans das Gelände. Der Verkehr brach zusammen. »Die Autos parkten die Landstraße zwischen Eutin und Malente komplett zu«, erinnert sich Herbert Lücking. Der gelernte Orthopädiemechaniker dagegen brauchte nur wenige Schritte zu machen, um das Trainingsspielchen verfolgen zu können, das auch Filmsternchen Heidi Brühl besuchte: Er wohnte Am Bergholz 3, direkt an der Sportschule. Auf seinem »Logenplatz« im Garten war der HSV-Fan den späteren Weltmeistern ganz nahe. Weil Lücking begeisterter Hobbyfilmer war, hat er mit seiner Super-8-Kamera das Treiben auf dem Platz und am Rand dokumentiert. »Berti Vogts kam regelmäßig zum Klönen an unseren Zaun«, erinnert sich Lücking, der heute in Eutin lebt. »Schon zu Beginn des Trainingslagers war er davon überzeugt, dass die Deutschen ins Endspiel kommen.« Lückings Kamera leistete Schwerstarbeit: Filmmeter um Filmmeter wurden komplette Trainingsabläufe, heran gezoomte Spielerköpfe und Neckereien zwischen den Akteuren auf Zelluloid gebannt. »Besonders Breitner und Hoeneß haben sich oft gefetzt und einander Worte an den Kopf geworfen wie sie auch in der Kreisklasse üblich sind.« Lücking hat acht Stunden WM 74-Impressionen auf zehn Spulen gebannt. Eine Spule setzt sich aus 18 zusammengeklebten, je zehn Meter langen Kurzfilmen zusammen. Sein tollstes WM-Erlebnis hat Lücking im Kopf abgespeichert. »Zum DDR-Spiel durften alle Anwohner in den DFB-Bussen mit der Mannschaft nach Hamburg fahren«, so der 59-Jährige, der von Vogts, den Torhütern Maier und Kleff und Masseur Deuser begleitet wurde. »Vor allem Sepp Maier war nach der 0:1-Niederlage fertig. Der hat auf der Rückfahrt kein Wort mehr gesagt.« Berti Vogts stammelte: »Gegen jede andere Mannschaft hätten wir verlieren können, aber nicht gegen die DDR.« An Lückings einzigartigen Aufnahmen haben mehrere Sender Interesse gezeigt. Das Höchstgebot für die Nachaufnahmen vom plaudernden Berti und Günter Netzers wehendem Blondhaar auf Malenter Rasen: 5000 Euro!
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