WM WM WM WM

  • Thomas Wieczorek
  • Lesedauer: 2 Min.
Ein afrikanischer Staatsgast wird von einem deutschen Politiker nach dem Festessen gefragt: »Mampf-mampf und gluck-gluck gut?«. Der Staatsgast bejaht höflich und hält sodann eine Tischrede in brillantem Deutsch. Nun fragt er seinen Gastgeber: »Bla-bla gut?« So ähnlich wie der für blöd gehaltene Staatsgast muss sich manch ein Mitbürger vorkommen, angesichts der zunehmend an Nötigung grenzenden Belästigung mit immer mehr und immer und immer dümmerer WM-Reklame. Ob WM-Tasse, WM-Deo, WM-Tee oder WM-WM-Teppich - kein Wunder, dass bei so viel weltmeisterlicher Konkurrenz der Hersteller des einzigen noch halbwegs verständlichen, wenn auch geschmacksverirrten WM-Produkts, nämlich des Maskottchens Goleo, pleite ging. Wenn wirklich Verhaltensforscher herausgefunden haben sollten, dass für Otto Normalverbraucher WM-Brot besser schmeckt als Mischbrot, WM-Bier besser die Kehle herunterläuft als Pils und WM-Mundwasser frischeren Atem verleiht als Pfefferminzmundwasser, dann müssen sie dies an Primaten oder Einzellern ausprobiert haben. Allerdings hat dieser gigantische Humbug dort ein Ende, wo es um das Wichtigste in der Demokratie geht, nämlich um die Unternehmensgewinne. Die WM, so verkünden Wirtschaftsinstitute unisono und ungerührt, werde die Konjunktur kaum beeinflussen. Was Wunder: Hat der Normalbürger vielleicht, selbst wenn wir Weltmeister werden, dadurch einen Cent mehr in der Tasche? Wird außer ein paar freudentrunkenen Fanatikern irgendjemand vor Begeisterung Geld ausgeben, das er nicht hat? Und sich zu Ehren der deutschen Elf in Schulden stürzen? Dies wäre wohl selbst dann eher unwahrscheinlich, wenn der Gerichtsvollzieher »WM-Vollzieher« und das Pfandsiegel »WM-Kuckuck« hieße. Hinzu kommt, dass selbst der Fussballfreund des Reizwortes »WM« inzwischen so überdrüssig ist, dass einige Kneiper, bei denen man das echte WM-Eröffnungsspiel sehen kann, nur noch ein verschämtes Schild ins Fenster hängen: »Fußball live: Deutschland gegen Costa Rica, 9. Juni, 18 Uhr«.
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