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ebb Der «dritte Mann» hat den Anschluss verpasst

Wolfgang Berghofer gibt der PDS die Schuld für seinen Rückzug

  • Lesedauer: 4 Min.

Von Hendrik Lasch, Dresden

Um das Amt des Dresdner Oberbürger meisters bewerben sich nur zwei chancenreiche Kandidaten, nachdem der Ex- Amtsinhaber Wolfgang Berghofer mit einer Schuldzuweisung an die PDS ver ziehtet hat.

Die PDS hat Schuld - so einfach und so eigenartig liest sich die Begründung für die Entscheidung, die Wolfgang Berghofer am vergangenen Freitag bei einer konspirativ anberaumten Pressekonferenz im Dresdner World Trade Center mitteilte. Nachdem das frühere SED-Stadtoberhaupt über Monate hinweg als heißer Anwärter auf den Posten des Oberbürgermeisters in der sächsischen Landeshauptstadt gehandelt wor den war, ohne auch nur ein einziges Mal öffentlich in Erscheinung getreten zu sein, gab der «Phantom-Kandidat» drei Tage vor Meldeschluss lediglich seine Nicht- Kandidatur bekannt. Damit werden sich die Dresdner am 10. Juni nur zwischen zwei chancenreichen Bewerbern entscheiden können. Neben dem CDU- Amtsinhaber Herbert Wagner, der seit elf Jahren das Rathaus regiert, tritt der FDP Mann Ingolf Roßberg an. Der einstige Dresdner Dezernent für Stadtentwicklung war von einem Bürgerbündnis aus Wuppertal zurückgeholt worden, wird mittlerweile von SPD und Bündnisgrünen unterstützt und dürfte nun auch den Rück halt der PDS bekommen.

Berghofer, der vor einigen Wochen großformatige Plakate in der Elbestadt kleben ließ und im Internet für ein demnächst erscheinendes Buch über seine Dresdner Vergangenheit wirbt, begründete seine Absage mit einem Beschluss der PDS-Mitgliederversammlung vom 28. April (ND berichtete). Weil die Sozialisten dort nicht ausgeschlossen hatten, seine Bewerbung zu unterstützen, sei eine «unumkehrbare Situation» entstanden, die ihn nun «zwingt, nicht zu kandidieren». Immer wieder war spekuliert worden, das monatelange Pokerspiel mit vagen Andeutungen und nicht dementierten Pressezitaten sei nur dadurch begründet, dass der 57-jährige Unternehmensberater jeden Anschein einer Unterstützung durch die Sozialisten vermeiden wollte. Das hat Berghofer jetzt bestätigt. Der einstige stellvertretende PDS-Bundesvorsitzende erinnerte daran, dass er «im Januar 1990 mit einer nach wie vor aktuellen Erklärung ausgetreten» sei. Darin hatte er der Partei de facto die Auflösung nahegelegt. Jetzt setzt Berghofer nach: Eine PDS-gestützte Kandidatur für den Rathaus-Job sei «eindeutig das falsche Signal an die Dresdner wie auch für die gesamte deutsche Öffentlichkeit».

Die derart Beschuldigten halten die Begründung für eine lächerliche und «kindische» Ausrede. Die langjährige Stadtvor sitzende Christine Ostrowski fühlt sich an das eitle Benehmen einer Diva erinnert. Stadtfraktionschef Ronald Weckesser verweist auf die zuletzt rasch sinkenden Umfragewerte Berghofers, die dessen langem Zögern geschuldet seien, und bezichtigt den Ex-OB eines doppelten Spiels: «Er wollte unsere Stimmen, aber nicht unseren Ruf.» Tatsächlich ist sicher, dass Amtsinhaber Wagner nur mit den Stimmen der PDS-Wähler entthront werden kann. Das immerhin habe Berghofer indirekt eingestanden, freut sich Weckesser- «Er hat uns bescheinigt, ein starker politischer Faktor in der Stadt zu sein.» Möglicherweise waren Berghofers Befürchtungen jedoch völlig unbegründet. Die PDS hatte beschlossen, über eine Unterstützung erst nach Lektüre des Programms zu entscheiden. Das wurde am Freitag ebenfalls vorgestellt - und enthält Vorhaben wie die «vernünftige Privatisierung städtischer Betriebe und Leistungen», um den Stadthaushalt zu konsolidieren. Das, sagt Weckesser, «wäre für uns ohnehin unannehmbar gewesen».

In den verbleibenden vier Wochen bis zur Wahl wird die PDS nun wohl für Ingolf Roßberg trommeln. Nachdem ein Vor schlag zur bedingungslosen Unterstützung des FDP-Mannes bereits bei der Mitgliederversammlung nur knapp gegenüber der Berghofer-Option unterlegen war, gilt ein Beschluss des Stadtvorstandes als Formalie. Das Unternehmen ist aus PDS-Sicht indes nicht ganz unproblematisch. Zwar liegt Roßberg bei vielen inhaltlichen Punkten mit der Dresdner FDP Fraktion und deren Koalitionspartnern CDU und DSU völlig überquer. Doch die Plauener OB-Wahl vom vorigen Jahr belegt, dass ein vermeintlich unabhängiger Bewerber mit FDP-Parteibuch den Liberalen nach einem Wahlerfolg zu einem kräftigen Imageschub verhilft. «Dieses Risiko müssen wir tragen», sagt Weckesser, der den Verzicht auf eine eigene Kandidatur erneut verteidigte. «Unser oberstes Ziel ist und bleibt die Abwahl von Herbert Wagner.» Wenn die PDS mit einem eigenen Bewerber antritt, sei dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt: «Dann bekommen wir wie immer knapp 30 Prozent, Roßberg schneidet gut ab - und Wagner gewinnt.»

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