Allzu menschlicher Fußball

Das vermeintliche Nürnberg-Tor in Mönchengladbach heizt die Endlosdebatte um fehlende Torkameras an

  • Andreas Morbach, Gladbach
  • Lesedauer: 3 Min.

Der nächste Fall in der Endlosdiskussion um fehlende Torkameras lag frisch auf dem Tisch, da nutzte Tony Jantschke die Gelegenheit zu einem Grundsatzstatement. »Ich bin ein großer Freund aller möglichen Technik«, erklärte Gladbachs 23-jähriger Verteidiger: »Wir haben iPads, wir haben iPhones - aber wir haben keine Torlinientechnologie. Das ist schon ein bisschen skurril.« Und ärgerlich für Schlusslicht Nürnberg, dessen Angreifer Josip Drmic in der 81. Minute beim Stand von 1:2 einen Schuss an die Lattenunterkante setzte, von wo aus der Ball erkennbar hinter der Torlinie aufsprang. Oder doch nicht? »Mein Assistent Sascha Stegemann hat beste Sicht. Der Ball muss mit vollem Umfang hinter der Linie sein - das war er nicht«, verteidigte Hauptreferee Christian Dingert seine Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Einmal mehr hätte hier allein die Torlinientechnik für Klarheit sorgen können. Eine Möglichkeit, die UEFA-Präsident Michel Platini - mit Hinweis auf hohe Kosten - für die Geldmaschinerie Champions League abgelehnt hat. Er bevorzuge »menschlichen Fußball«, ließ der frühere Weltklassespieler aus Frankreich den Kontinent wissen - während Gertjan Verbeek von seinem Erfahrungen auf einem anderen Erdteil berichtete: »Ich bin vor zwei Jahren in Australien gewesen und habe mir Fußballspiele angeschaut. Die haben dort einen Videoschiedsrichter - und das muss auch so sein«, betonte Nürnbergs Trainer.

In England und den Niederlanden wird die Torlinientechnik benutzt, Chelsea-Coach José Mourinho (»Deutschland ist ein reiches Land«) legte den Bundesligachefs eine entsprechende Investition am Rande seines Königsklassenbesuchs Ende Oktober auf Schalke ebenfalls ans Herz - und der Niederländer Verbeek unternahm im Borussia-Park einen Vorgriff auf das Ligafinale Anfang Mai. »Es kann nicht sein, dass wir wegen diesem fehlenden Punkt am Ende absteigen. Das wäre zu schwerwiegend. Dabei gibt es die Möglichkeit, solche Diskussionen zu verhindern. Ich begreife es einfach nicht!«, zürnte er.

Statt 2:2 stand es am Ende 1:3 aus Sicht der weiter sieglosen Franken, die vor der Pause stark spielten und durch Drmic in Führung gingen (21.). Juan Arango (72.) und Niklas Stark mit einem Eigentor (75.) drehten in der zweiten Hälfte eine Partie, in der sich die Gäste zudem um einen Elfmeter betrogen fühlten. »Uns klebt ganz viel Pech an den Schuhen und Trikots, aber wir müssen weitermachen«, seufzte Torwart Raphael Schäfer - und selbst Max Kruse fühlte sich nach dem »Phantomtor« (Verbeek) unbehaglich: »Ich weiß nicht, ob der Ball drin war - wahrscheinlich schon«, so Gladbachs Stürmer, und Kollege Jantschke ergänzte: »Es war eine Millimeterentscheidung, aber der Ball war eher drin. Und wenn das Tor gegolten hätte, wäre es wohl beim 2:2 geblieben.«

So gewannen die Niederrheinischen ihr sechstes Heimspiel in der Saison - und ihrem Sportdirektor Max Eberl fiel es leicht, zu sagen: »Ich habe ein bisschen Mitgefühl mit Nürnberg.« Sprach’s und ließ das Bekenntnis folgen: »Ich bin auch für die Torlinientechnik.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.