Allzu menschlicher Fußball
Das vermeintliche Nürnberg-Tor in Mönchengladbach heizt die Endlosdebatte um fehlende Torkameras an
Der nächste Fall in der Endlosdiskussion um fehlende Torkameras lag frisch auf dem Tisch, da nutzte Tony Jantschke die Gelegenheit zu einem Grundsatzstatement. »Ich bin ein großer Freund aller möglichen Technik«, erklärte Gladbachs 23-jähriger Verteidiger: »Wir haben iPads, wir haben iPhones - aber wir haben keine Torlinientechnologie. Das ist schon ein bisschen skurril.« Und ärgerlich für Schlusslicht Nürnberg, dessen Angreifer Josip Drmic in der 81. Minute beim Stand von 1:2 einen Schuss an die Lattenunterkante setzte, von wo aus der Ball erkennbar hinter der Torlinie aufsprang. Oder doch nicht? »Mein Assistent Sascha Stegemann hat beste Sicht. Der Ball muss mit vollem Umfang hinter der Linie sein - das war er nicht«, verteidigte Hauptreferee Christian Dingert seine Entscheidung, weiterspielen zu lassen.
Einmal mehr hätte hier allein die Torlinientechnik für Klarheit sorgen können. Eine Möglichkeit, die UEFA-Präsident Michel Platini - mit Hinweis auf hohe Kosten - für die Geldmaschinerie Champions League abgelehnt hat. Er bevorzuge »menschlichen Fußball«, ließ der frühere Weltklassespieler aus Frankreich den Kontinent wissen - während Gertjan Verbeek von seinem Erfahrungen auf einem anderen Erdteil berichtete: »Ich bin vor zwei Jahren in Australien gewesen und habe mir Fußballspiele angeschaut. Die haben dort einen Videoschiedsrichter - und das muss auch so sein«, betonte Nürnbergs Trainer.
In England und den Niederlanden wird die Torlinientechnik benutzt, Chelsea-Coach José Mourinho (»Deutschland ist ein reiches Land«) legte den Bundesligachefs eine entsprechende Investition am Rande seines Königsklassenbesuchs Ende Oktober auf Schalke ebenfalls ans Herz - und der Niederländer Verbeek unternahm im Borussia-Park einen Vorgriff auf das Ligafinale Anfang Mai. »Es kann nicht sein, dass wir wegen diesem fehlenden Punkt am Ende absteigen. Das wäre zu schwerwiegend. Dabei gibt es die Möglichkeit, solche Diskussionen zu verhindern. Ich begreife es einfach nicht!«, zürnte er.
Statt 2:2 stand es am Ende 1:3 aus Sicht der weiter sieglosen Franken, die vor der Pause stark spielten und durch Drmic in Führung gingen (21.). Juan Arango (72.) und Niklas Stark mit einem Eigentor (75.) drehten in der zweiten Hälfte eine Partie, in der sich die Gäste zudem um einen Elfmeter betrogen fühlten. »Uns klebt ganz viel Pech an den Schuhen und Trikots, aber wir müssen weitermachen«, seufzte Torwart Raphael Schäfer - und selbst Max Kruse fühlte sich nach dem »Phantomtor« (Verbeek) unbehaglich: »Ich weiß nicht, ob der Ball drin war - wahrscheinlich schon«, so Gladbachs Stürmer, und Kollege Jantschke ergänzte: »Es war eine Millimeterentscheidung, aber der Ball war eher drin. Und wenn das Tor gegolten hätte, wäre es wohl beim 2:2 geblieben.«
So gewannen die Niederrheinischen ihr sechstes Heimspiel in der Saison - und ihrem Sportdirektor Max Eberl fiel es leicht, zu sagen: »Ich habe ein bisschen Mitgefühl mit Nürnberg.« Sprach’s und ließ das Bekenntnis folgen: »Ich bin auch für die Torlinientechnik.«
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