Konsequenzlos wie bei Wilhelm

Ein Lehrer, der prügelt, bekommt ein Disziplinarverfahren an den Hals, Polizeigewalt wird hingegen gerne als Hirngespinst von Querulanten und Fußballfans dargestellt.

Sportjournalisten haben mit Polizisten etwas gemeinsam. Auch sie würden samstags und sonntags gerne mal zu Hause bleiben, müssen aber stattdessen ins Stadion. Hier allerdings enden die Gemeinsamkeiten. Denn während die einen in warmen Presseräumen Kaffee und belegte Brötchen bekommen, müssen die anderen in Kampfmontur in sengender Hitze oder arktischer Kälte herumstehen und mitansehen, wie mal rettungslos besoffene, mal schlicht alberne Horden an Fußballfans an ihnen vorbeiziehen und zum Teil Sprüche ablassen, die man sich wirklich nicht gerne anhört. Aber als Polizist muss man das eben.

Als Polizist muss man die Gelassenheit haben, Provokationen ignorieren zu können. Liegt eine »Beleidigung« vor – Ingewahrsamnahme. Liegt keine vor – weiterlaufen lassen. So einfach ist das eigentlich in der Theorie. De facto kommt es offenbar immer wieder vor, dass sich Beamte – besonders die der Spezialeinheiten BFE und USK – zu Demütigungen und Prügeleien hinreißen lassen. Begangen von denen, die genau das eigentlich verhindern sollen.

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Das ist, als ob ein Lehrer zuschlägt, weil ihm ein Schüler dumm kommt. Auf den ersten Blick mag selbst das verständlich sein, weil auch Lehrer und Polizisten nur Menschen mit einer Hutschnur sind, die wohl bei allen Menschen auch mal zur Lunte werden kann. Aber die Zeiten haben sich geändert, das mit der Lunte gilt heute glücklicherweise nicht mehr als Entschuldigung, sondern als Grund für ein Disziplinarverfahren. Ein Lehrer, der prügelt, gehört in den Wilhelminismus oder die Adenauer-Republik – und nicht ins 21. Jahrhundert. Da gehört er suspendiert. Und das wird er auch, gegen die Aussage von 20 Augenzeugen hätte eine Lüge keine Chance. Anders ist es bei der Polizei. Da haben die 20 Augenzeugen oft keine Chance, weil sie nur Fußballfans sind. Und denen glaubt man nun mal besser nichts. So viel zu den Affekthandlungen.

Noch schlimmer ist es allerdings, wenn Polizeieinheiten so hohldrehen wie das offenbar am Wochenende in Kaiserslautern passiert ist. Die Polizei hat ein echtes Problem, wenn sie dem Fanbeauftragten von Union Berlin eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht sprühen – obwohl er sich vorher ausgewiesen hat. Ein Problem als Institution, die darauf angewiesen ist, dass nicht nur Menschen, die nach 18 Uhr im Pyjama durch die eigene Wohnung laufen, in ihr die Vertreterin eines Rechtsstaates sehen, der die Regeln, die er aufstellt, auch selbst befolgt.

Umso trauriger, dass Gewerkschafts- und Polizeivertreter mal wieder genau das tun, was ihre Gegner ihr unterstellen: Sie wiegeln ab, sie verharmlosen und sie scheinen nicht einmal wissen zu wollen, was im Kaiserslauterer Hauptbahnhof wirklich passiert ist. Oder ist das nur der Eindruck, der nach außen vermittelt werden soll, während intern knallhart ermittelt wird? Bahnhöfe sind in der Regel bestens mit Überwachungstechnologie ausgerüstet, es dürfte also Bilder geben, die entweder den Union-Fanbeauftragten doch noch einer Straftat überführen – oder genügend Gründe für polizeiinterne Konsequenzen liefern. Vorausgesetzt, es fehlen nicht mal wieder ein paar entscheidende Minuten auf den Bändern.

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