Langweilig von Sieg zu Sieg

Deutschlands Handballerinnen erreichten das WM-Achtelfinale, weil sie nicht daran dachten

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach drei Spielen haben die deutschen Handballerinnen das WM-Achtelfinale erreicht. Mit besserer Abwehr, starkem Rückraum und einem verinnerlichten Trainercredo wurde auch Rumänien besiegt.

Das erste Ziel ist geschafft, und kaum jemand hatte den deutschen Handballerinnen zugetraut, dass es so schnell gelingen würde. Nach dem dritten Sieg im dritten WM-Spiel ist die Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB) bereits für das Achtelfinale qualifiziert. Gegen Rumänien zeigte sie dabei am Dienstagabend in Novi Sad erstmals in diesem Turnier, dass sie auch eine starke Abwehr stellen kann und schlug den Mitfavoriten in Gruppe D 26:23 (13:12). »Wir sind sehr glücklich, dass wir den Weg ins Achtelfinale geschafft haben«, sagte Bundestrainer Heine Jensen erleichtert.

Dabei konnte sich sein Team vor allem auf Torhüterin Clara Woltering verlassen, obwohl Jensen das Verhältnis lieber umkehrte: »Wir haben ordentlich in der Abwehr gestanden, wodurch Clara auch endlich ein tolles Spiel machen konnte. Sie ist eine Klassetorhüterin. Wenn sie gleich am Anfang die Bälle stoppt, die sie nach guter Deckung festhalten muss, dann hält sie auch noch vier, fünf extra, die den Unterschied ausmachen.«

Zwar warfen die Deutschen nicht mehr so viele Treffer wie gegen Australien und Tschechien, doch Susann Müller bekamen auch die Rumäninnen nicht in den Griff. Elf Tore erzielte die Rückraumspielerin, unter anderem die letzten drei in der spannenden Schlussphase. »So eine Spielerin brauchst du, die alles trifft und auch unmögliche Bälle reinmacht«, freute sich Jensen, der Müller schon beim HC Leipzig zur Stammspielerin geformt hatte.

Augenscheinlich ist der Rückraum die stärkste Waffe der Deutschen, was nach dem Ausfall von Spielmacherin Kerstin Wohlbold kurz vor WM-Beginn nicht unbedingt zu erwarten war. »Das war wie ein Schock«, erinnerte sich ihre Leverkusener Vertreterin Kim Naidzinavicius. »Alle haben sich gefragt: Was jetzt?« Doch die 22-Jährige lenkt gemeinsam mit der erfahrenen Anna Loerper den deutschen Angriff ebenso erfolgreich und strahlt dazu auch Torgefahr aus.

»Wir haben eine bessere Mischung von jung und alt, von Erfahrenen und Küken dabei«, vergleicht Loerper bei ihrer fünften WM die aktuelle mit früheren deutschen Mannschaften. Daher schlummere auch noch viel Potenzial in ihr. So fordert Jensen oft ein schnelles Umkehrspiel, um Kontertore zu erzielen, doch genau da war Rumänien besser. »Schnell genug sind wir eigentlich, aber wir müssen uns im Gegenstoß noch steigern. Zum Glück hatten wir den Rumäninnen die gute Abwehr voraus, und darauf kam es letztlich an. Damit haben wir ihnen den Zahn gezogen«, sagte Loerper.

Die Lehren, die Jensen aus dem blamablen 17. Platz 2011 in Brasilien gezogen hat, scheinen die richtigen gewesen zu sein, auch wenn er sich damals keine Freunde gemacht hatte. »Ich hatte kritisiert, dass wir athletisch nicht auf dem Stand waren, um ganz vorn mitzuspielen. Jetzt muss ich den Spielerinnen und ihren Vereinstrainern ein Lob aussprechen, dass sich das deutlich verbessert hat«, sagte Jensen.

Auch seine psychologischen Vorgaben setzt das Team um. »So langweilig es klingt, wir bleiben dabei, von Spiel zu Spiel zu denken, auch wenn wir unser Ziel erreicht haben.« Anna Loerper falle es demnach auch nicht schwer, das Duell um den Gruppensieg mit Ungarn am Freitag noch auszublenden. »Bisher konnte man sehen, dass wir alle den Fokus immer auf dem nächsten Spiel haben. Deswegen denke ich jetzt auch nur an Tunesien. Das wird der nächste schwere Gegner am Donnerstag«, sagte Loerper »nd«.

Nur einer hält sich nicht an des Trainers Anweisungen: DHB-Präsident Bernhard Bauer. Der hatte zwar vor der WM noch gesagt: »Über Medaillen reden wir nicht.« Doch so langsam ändert er seine Meinung. »In der jetzigen Verfassung ist die Mannschaft noch für einige Überraschungen gut. Ich hoffe, dass ich sogar bis Sonntag in einer Woche mit ihr zittern darf.« Dann geht’s in Belgrad um Medaillen. »Träumen darf man ja.«

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