Sieben Tage, sieben Nächte

Tom Strohschneider über Weihnachtsfeiern, die Soziologie von Medienunternehmen und die Wahrheit über OL 1000 plus

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 2 Min.

Weihnachtsfeiern also. Vor ein paar Tagen entspann sich im so genannten Internet eine kleine Fachdiskussion zur Soziologie von Medienunternehmen. Der geschätzte Kollege Michael Angele vom »Freitag« wies nach ausdauernder Forschungsarbeit darauf hin, dass Verlagsmitarbeiter das »Wichteln« bei Weihnachtsfeiern »für eine feine, kommunikative, gesellige Sache« halten, während Redakteure »es peinlich, zwangswitzig, im Grunde genommen terroristisch« finden.

Die Theorie Angeles konnte bei der nd-Weihnachtsfeier nicht überprüft werden. Erstens gab es kein »Wichteln« - und zweitens wurde schon im Vorfeld von Experten darauf verwiesen, dass man in Berlin »Julklapp« sagen würde, jedenfalls im Osten. Ob das etwas mit der DDR zu tun hat oder mit Kobolden oder mit beidem, blieb offen. Die Soziologie von Medienunternehmen bleibt weiterhin ein Forschungsdesiderat.

Die Woche stand auch im Zeichen einer weiteren Bescherung: der nächsten Regierung. Für Fachgespräche unter Kollegen sorgte dabei vor allem die wichtigste politische Gerätschaft dieser Tage - der OL 1000 plus. Der Hochleistungsbrieföffner erlangte gewisse Berühmtheit, da die SPD mit zwei Exemplaren dieser Maschine an die zurückgesandten Wahlunterlagen ihres Mitgliederentscheids gelangt. Und zwar durch Fräsen! Das muss hier einmal festgehalten werden, da dem OL 1000 plus mehrfach mit der Behauptung Unrecht angetan wurde, es handele sich bei ihm um eine Schlitzmaschine. Beobachter brachten zudem die Vermutung zum Ausdruck, bei dem Kürzel OL könne es sich eigentlich nur um die Initialen eines früheren SPD-Vorsitzenden handeln - der Einsatz einer solchen Maschine sei somit als heimliches Aufbegehren der zuständigen SPD-Mitarbeiter gegen die Große Koalition zu werten.

Aber warum eigentlich immer nur Kritik an dem wahrscheinlich kommenden Regierungsbündnis? Bei dem ganzen Rummel um OL 1000 plus scheint untergegangen zu sein, worüber die SPD-Mitglieder eigentlich abstimmen: den Koalitionsvertrag. 185 Seiten voll feinster Politlyrik. Ja, schon klar, der Sozialismus wird nicht eingeführt und der Mindestlohn für viele erst später. Das kann man bemängeln.

Aber hat einmal jemand gewürdigt oder wenigstens zur Kenntnis genommen, dass die Große Koalition es sich nicht nur zur Aufgabe macht, »die Wirksamkeit der Streitwertdeckelung« zu überprüfen, sondern auch das hehre Ziel verfolgt, »die Wirksamkeit des Regierungshandelns gezielt zu erhöhen«? Das ist doch was. Da kann man es auch verschmerzen, dass sich zur Rolle des »Wichtelns« kein Wort in der Regierungsvereinbarung findet. Eine Passage zur Zukunft des »Julklapps« hatten wir Kobolde hier in Ostberlin ohnehin nicht erwartet.

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