Heilige Kuh wird angetastet
Regierung Venezuelas will die Benzinpreise erhöhen und die Devisenbewirtschaftung lockern
Für einen Euro volltanken? In Venezuela kein Problem, denn dort kostet der Liter Kraftstoff umgerechnet nur schlappe zwei Eurocent und der Preis ist seit zwanzig Jahren stabil.
Warum? Weil Venezuela laut eigenen Angaben auf den größten Erdölreserven der Welt sitzt und die Bevölkerung an dem Reichtum teilhaben lässt. Durch den hochsubventionierten Benzinpreis, aber vor allem durch die zahlreichen Sozial- und Bildungsprogramme, die die Regierung finanziert. Dieses Aushängeschild der Regierung von Nicolás Maduro wird trotz der aktuellen ökonomischen Krise nicht angetastet. Doch der Benzinpreis soll nun angepasst werden. Wann genau, ließ Präsident Maduro vorerst offen, denn die Regierung will dem Volk erst erklären, warum die Erhöhung unumgänglich und auch umweltpolitisch notwendig ist.
Laut offiziellen Zahlen kosten die direkten Subventionen für das billige Benzin das Land rund 12,5 Milliarden US-Dollar im Jahr. Die Internationale Energie-Agentur dagegen geht für 2011 dagegen von Subventionen im Umfang von rund 27 Milliarden Dollar aus. Mittel, die das Land auch in die nicht sonderlich gute Infrastruktur, in Sozial- oder Wirtschaftsförderprogramme hätte investieren können. Das würde der Regierung angesichts der derzeitigen Krise finanziellen Spielraum verschaffen. Doch Benzin gilt als heilige Kuh. Bereits 1989 kam es aus Anlass staatlicher Benzinpreiserhöhungen zu einem mehrtägigen Volksaufstand, dem »Caracazo«, wobei die eigentliche Ursache aber sinkende Kaufkraft und die soziale Situation der Bevölkerungsmehrheit war.
Die stöhnt derzeit unter der hohen Inflationsquote von rund 50 Prozent, wodurch die Kaufkraft der Bevölkerung sinkt. Präsident Maduro, der mit Sondervollmachten gegen die Krise kämpft, legt Wert darauf zu betonen, dass die Anpassung des Benzinpreises inflationsneutral erfolgen soll. Wie, das ist bisher noch sein Geheimnis. Für die Krise, die Maduro als »Wirtschaftskrieg« bezeichnet, macht er die bürgerliche Opposition und ihre »imperialistischen« Helfer im Ausland verantwortlich. Die wollten das Land in die Knie zwingen - etwa durch den Abfluss von Devisen, den die Regierung zu kontrollieren versucht.
Dies soll durch eine Devisenbewirtschaftung gelingen. Die Behörde namens Cadivi verteilt die Devisen, die nahezu ausschließlich über den Erdölexport sowie den Tourismus ins Land kommen und einheimischen Unternehmen nur per Antrag zugeteilt werden. Offiziell liegt der Wechselkurs seit Frühjahr 2013 bei 6,3 Bolívares fuertes pro US-Dollar. Auf dem Schwarzmarkt, wo Schätzungen zufolge 15 bis 20 Prozent des Devisenbedarfs umgeschlagen werden, sind deutlich höhere Kurse die Regel. Das stört die Regierung. Vizepräsident Rafael Ramírez, zugleich Chef des wichtigsten Unternehmens des Landes, des Erdölkonzerns PdVSA, hat Maßnahmen angekündigt, um die Cadivi in kleinen Schritten durch ein anderes System zu ersetzen, wobei ein höherer Tauschkurs von Bolívar zu US-Dollar anvisiert wird.
Modell dafür ist das Sicad - über dieses Ergänzungssystem der Devisenbewirtschaftung konnten bisher ebenfalls Dollar gekauft werden, allerdings zum höheren Wechselkurs von etwa elf Bolívar fuerte pro US-Dollar. Der Ölkonzern PdVSA hat bereits angekündigt, Investitionen aus dem Ausland auf Basis des Sicad-Wechselkurses durchzuführen. Auch der Goldverkauf und die Tourismus-Dienstleistungen sollen auf Basis dieses Wechselkurses durchgeführt werden. Das könnte der erste Schritt für eine erneute Abwertung des Bolívar fuerte sein. Ein Indiz dafür, dass die bisherigen Maßnahmen der Regierung zur Dämpfung der Inflation, nicht oder nur partiell gegriffen haben.
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