Abbas rief zu symbolischer Sitzung im Jordantal

USA-Administration: Von israelischer Annexionsentscheidung komplett überrascht

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Israelische Politiker fordern die Annexion des Jordantals; Palästinenser und Amerikaner sind entsetzt. Israels Premier Netanjahu hat die Siedlungsbaupläne deshalb nun erst einmal auf Eis gelegt.

Tagelang war darüber im Ausland wie im Inland gestritten worden; Tagelang hatten Regierungspolitiker und Pressesprecher gleichermaßen immer wieder betont, man habe das Recht zu bauen, wo immer man wolle, wann immer man wolle. »Wir werden uns dieses Recht von niemandem nehmen lassen«, hatte Wohnungsbauminister Uri Ariel von der Pro-Siedler-Partei HaBajit HaJehudi noch am Neujahrsmorgen gesagt und angekündigt, am Nachmittag die genauen Pläne für den weiteren Wohnungsbau im Westjordanland und in Ost-Jerusalem vorstellen zu wollen, die bis jetzt jede der bisher drei Stufen der Freilassung von palästinensischen Häftlingen begleitete.

Doch die Ankündigung blieb aus. In letzter Minute entschied Premierminister Benjamin Netanjahu, die Veröffentlichung der Pläne auf Eis zu legen, und zwar »mindestens« bis zum Ende des Besuches von US-Außenminister John Kerry, der am Neujahrsabend eintreffen sollte, zitiert die Zeitung HaAretz einen namentlich nicht genannten Regierungsmitarbeiter: »Es macht keinen Sinn, Kerry den Finger ins Auge zu stecken.«

Denn Kerry ist ohnehin schon sauer, wie amerikanische und israelische Medien berichten und auch einige Mitarbeiter des Außenministeriums bestätigen: Man sei von dem Beschluss eines israelischen Kabinettsausschusses, das Jordantal annektieren zu wollen, komplett überrascht worden. »Wir lehnen alle unilateralen Schritte der Verhandlungspartner ab«, sagt die Sprecherin des State Department, Jen Psaki: »Es ist offensichtlich, dass eine solche Annexion gegen internationales Recht verstoßen würde.« Zudem handelt es sich beim Jordantal nicht um irgendeinen Teil des Westjordanlandes, sondern um das Filetstück schlechthin: Es ist fruchtbar, trennt das nördliche Westjordanland vom Nachbarstaat Jordanien, verfügt über gute Straßenverbindungen.

Während man überall in den besetzten Gebieten noch die Rückkehr der 26 Palästinenser feierte, die nach zwischen 19 und 23 Jahren Haft in israelischen Gefängnissen frei gelassen worden waren, stellte die palästinensische Führung klar, dass jede ernsthafte Erwägung dieser Option zum Abbruch der Verhandlungen führen werde: »Es steht außer Diskussion, dass das Jordantal Teil des palästinensischen Staatsgebietes sein wird«, sagte Präsident Mahmud Abbas in einer Rede zum 49. Jahrestag der Gründung seiner Fatah-Fraktion; kurz darauf traf sich das palästinensische Kabinett zu einer symbolischen Sitzung in einem Dorf im Jordantal. Sollte Israels Regierung nicht umgehend davon abrücken, werde man sich an internationale Organisationen wenden und um eine scharfe Reaktion bitten. Mitarbeiter Kerrys sagen dazu, dass Washington die Palästinenser wohl nicht davon abhalten würde, wenn sie das täten.

Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die auf einen Vorstoß der rechtskonservativen Abgeordneten Miri Regev zurück gehende Initiative eine politische Zukunft hat: Zwar wären die Abgeordneten der Koalition dazu gezwungen, für die Vorlage zu stimmen, sollte sie als Regierungsantrag eingebracht werden, weil sie sonst bei den nächsten Wahlen kaum wieder antreten dürften. Doch sie könnten sich enthalten, was Netanjahu dazu zwingen würde, die Vertrauensfrage zu stellen.

»Netanjahu hat hoch gepokert, und verloren«, kommentiert selbst die regierungsfreundliche Zeitung Jisrael HaJom: Der Premier habe wohl gehofft, die Rechten in seinem eigenen Likud-Block zu besänftigen. Nun schwänden ihm die Koalitionsoptionen. Und er müsse befürchten, dass ihm Kerry in den kommenden Tagen Zugeständnisse abringt, die er sonst nicht gemacht hätte.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!