Eine »populäre Persönlichkeit«

Michael Schumachers Skiunfall und die Medien

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Zum Glück hatte der ehemalige Formel-1-Rennfahrer Michael Schumacher am vergangenen Freitag Geburtstag - zum Glück für die »Bild«-Zeitung, denn der 45. Geburtstag des kurz nach Weihnachten beim Skifahren schwer verunglückten und seitdem mit lebensgefährlichen Kopfverletzungen im Krankenhaus von Grenoble liegenden Schumachers bot dem Springer-Blatt die Gelegenheit, die Meldungsmaschine am Laufen zu halten. In Sachen Schumacher gibt es nämlich dieser Tage nur wenig für Journalisten zu berichten. An die Öffentlichkeit dringen keine Informationen.

Für eine Zeitung wie die »Bild« ist das ein nur schwer zu ertragender Zustand. Also wird der »Live-Ticker« mit per Twitter abgegebenen Glückwünschen an das verunglückte Geburtstagskind und nichtssagenden Fotos von Angehörigen Schumachers aufgehübscht - und mit reißerischen Titelschlagzeilen, um im Kampf um hohe Klickzahlen im Internet die Nase weiterhin vorne zu behalten.

Für diese dünne Nachrichtenlage ist das professionelle Medienmanagement des Ex-Rennfahrers verantwortlich. Alle Meldungen laufen über dessen Pressesprecherin Sabine Kehm. Die hat früher selbst als Journalistin von der Formel 1 berichtet und weiß, wie sie mit ihren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen umgehen muss. Einzig ein als Priester verkleideter Reporter schaffte es in die Klinik, kam allerdings nicht einmal in die Nähe des prominenten Patienten.

Wenn es nur wenig Neues zu berichten gibt, bricht die Zeit der Feuilletonisten an. Die Kunst, aus wenigen Zutaten optisch wie geistig Anmutendes zu machen, ist ihr Revier allein. Das haben sie dem Genre des Boulevard voraus, dem sie ansonsten in der Lesergunst immer unterlegen sein werden. Im Berliner »Tagesspiegel« wurde letzten Freitag ein gewagter Vergleich zwischen Darth Vader aus der »Star Wars«-Filmserie und Michael Schumacher angestellt. Der sei der »Schwarze Lord der Formel 1« gewesen - ein mit unerbittlicher Härte regierender Roboter. So wie Darth Vader am Ende ohne Helm »verletzlich, schwach - menschlich« wurde, werde jetzt Schumacher, in Grenoble »mit geöffnetem Schädel« liegend, zum Menschen.

Man kann diesen Vergleich daneben finden, allein: es liegt in ihm ein Körnchen Wahrheit. Mit Vernunft lässt sich die Welt zwar begreifen, nicht aber ergreifen. Ergriffenheit war das Gefühl, dass das Publikum im Rom der Antike zu Zehntausenden in das Kolosseum trieb. Die Stars jener Zeit - die Gladiatoren - waren den modernen Sportprominenten nicht unähnlich; sie waren Projektionsfläche von Machtfantasien, geheimer Sehnsüchte einer anarchischen Moral, die der Bürger im eigenen Leben sich nicht auszuleben wagt - und wenn es wie im Falle Schumachers heute der durch Zivilisation gezügelte Todestrieb ist, der sich lediglich noch darin äußert, die Geschwindigkeitsbegrenzung auf den Straßen im Automobil straffrei übertreten zu dürfen.

Daher hat der Chefredakteur von ARD-Aktuell, Kai Gniffke, recht, wenn er die in den ersten Tagen nach dem Unfall überdimensionierte Berichterstattung über Schumachers Unfall in der »Tagesschau« mit dem Argument verteidigt, der Verunglückte gehöre zur Kategorie »populärer Persönlichkeiten«. Es nähmen Millionen Menschen Anteil an dem Schicksal Schumachers und wollten wissen, wie es ihm geht.

In dieser Einschätzung irrt Gniffke aber. Die Zuschauer interessieren sich nicht für den Menschen, nur für die Medienfigur Schumacher.

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