Strafanzeige gegen Pofalla
Vorwurf der Anstiftung zur Untreue im Zusammenhang mit Bahnprojekt Stuttgart 21
Die Aufregung um das Großprojekt Stuttgart 21 hat sich weitgehend gelegt - zumindest außerhalb der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Dabei dürfte der milliardenschwere Tiefbahnhof eigentlich nicht realisiert werden. Selbst in Bahndokumenten hieß es schon, dass er sich nicht als wirtschaftlich darstellen lasse. Gebaut wird trotzdem.
Warum ist das so, ist das legal, wer ist verantwortlich? Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi, der Anwalt Eisenhart von Loeper und der pensionierte Stuttgarter Landgerichtsvorsitzende Dieter Reicherter glauben, eine Antwort zu haben: Der frühere Kanzleramtsminister und heutige Bahn-AG-Vorstandskandidat Ronald Pofalla (CDU) spiele dabei eine Schlüsselrolle - und gehöre daher vor Gericht.
Deswegen haben die drei Pofalla bei der Berliner Staatsanwaltschaft angezeigt. Er habe »in der Zeit von Mitte Februar 2013 bis zum 5. März 2013 in seiner damaligen Funktion als Chef des Kanzleramts den drei Staatssekretären der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG aus sachfremdem politischem Kalkül zur Auflage gemacht und auf weitere Aufsichtsräte der DB AG nachhaltig Einfluss genommen, dass sie unbedingt die Weiterführung des Bahnprojekts (...) beschließen müssten«. Und aufgrund dieser Einflussnahme von oben sei das dann auch geschehen, allen Wirtschaftlichkeitskriterien zum Trotz. Darin sieht die Anzeige eine Anstiftung zur Untreue durch Pofalla.
Als Beweismittel führt die »nd« vorliegende Anzeige u.a. ein Bahndokument aus dem Dezember 2009 an, dem zufolge »eine ausgeglichene Wirtschaftlichkeit« des Tiefbahnhofes nur »bis zu einem Gesamtwertumfang von maximal 4769 Mio. Euro gegeben« sei. Spätestens seit Dezember 2012 ist aber offiziell, dass diese Kostengrenze niemals eingehalten werden wird. Bahnchef Rüdiger Grube und Vorstand Volker Kefer mussten seinerzeit eine Überschreitung um mehr als zwei Milliarden einräumen. Im Aufsichtsrat hatte das Fragen aufgeworfen, die am 20. Dezember 2012 im Rahmen einer Informationsveranstaltung für das Bundesverkehrs-, das Bundesfinanz- und das Bundeswirtschaftsministerium erörtert wurden.
Als Resultat gab es in den drei Ministerien, die jeweils einen Staatssekretär in den Aufsichtsrat entsenden, Absetzbewegungen. Die Anzeige zitiert aus einem Dossier des Verkehrsministeriums, das im Februar 2013 publik wurde und für Furore sorgte. Als »gemeinsames Fazit« wurde darin festgehalten, »dass die Antworten und Zwischenberichte der Gutachter (...) derzeit keine ausreichende Grundlage für eine Entscheidung« darstellten. Unter anderem habe man »nicht belastbar darlegen« können, dass eine Fortführung wirtschaftlicher sei als ein Ausstieg. Daraus gehe hervor, dass ein »Fortführungsbeschluss nach zwingenden rechtlichen Maßstäben auf keinen Fall hätte gefasst werden dürfen«.
Nun aber, so die Anzeige, komme Pofalla ins Spiel: Sein »Job« als Kanzleramtschef sei es gewesen, die skeptischen Staatssekretäre »umzudrehen« - allein aus dem politischen Kalkül, »im Vorfeld der Bundestagswahl (...) eine Ausstiegsdebatte (...) zu vermeiden«. In diesem Sinne hatten auch mehrere Medien unwidersprochen berichtet: Pofalla habe die Staatssekretäre »wieder auf Linie« gebracht, das Kanzleramt habe »auf eine Weiterbau-Entscheidung (...) eingewirkt«.
Aus Sicht der Anzeigenden, die keine juristischen Laien sind, sind staatsanwaltliche Ermittlungen in diesem Fall geboten. Ob es dazu kommen wird, ist allerdings fraglich. Eine ähnlich gelagerte Anzeige gegen Bahnchef Grube, Vorstand Kefer und Mitglieder des Aufsichtsrates - die vermeintlichen Haupttäter des angezeigten Untreuevergehens - wurde von Berliner Staatsanwälten bereits abgewiesen.
Diese argumentierten mit einer Vorstandsvorlage für die Aufsichtsräte vom 5. März 2013. Die habe plausibel gemacht, dass der Ausstieg aus dem »inzwischen ansehbar unwirtschaftlichen« Projekt »betriebswirtschaftlich immer noch günstiger sei als dessen Abbruch«. Daraufhin hätte man in gutem Glauben entschieden.
Damit wollen sich die Anzeigen-ersteller indes nicht zufriedengeben. Mit dieser Logik, argumentieren sie, würde es in Mordfällen zur Entlastung des Beschuldigten genügen, »dass sich der Täter auf ein Alibi beruft, obwohl es sich bei einer Nachprüfung als Täuschung erweist«.
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