Knapp an der Rezession vorbei
2013 betrug das Wirtschaftswachstum laut Statistischem Bundesamt nur 0,4 Prozent
0,4 Prozent: Das ist die Zahl des Tages. Denn um so viel ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2013 in Deutschland gestiegen. Dies gab das Statistische Bundesamt (Destatis) am Mittwoch in Berlin bekannt. In absoluten Zahlen betrug die Wirtschaftsleistung 2,736 Billionen Euro. Ob das nun gut oder schlecht ist - darüber kann man sich streiten. Zumindest Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) freute sich: »Deutschland konnte sich dem Sog der Rezession weitgehend entziehen, die in einigen Ländern des Eurogebiets die wirtschaftliche Aktivität noch dämpfte«, erklärte der Minister. Skeptischere Worte kamen jedoch von Konjunkturforschern und der Opposition.
Seit dem Boomjahr 2010 fällt das Wirtschaftswachstum in Deutschland immer schlechter aus. Stieg das BIP im Jahr 2011 noch um 3,3 Prozent, so waren es 2012 lediglich 0,7 Prozent. »Die konjunkturelle Lage hat sich nach der Schwächephase im vergangenen Winter im Laufe des Jahres verbessert«, sagte Destatis-Präsident Roderich Egeler. Dadurch habe die deutsche Wirtschaft zu einem moderaten Wirtschaftswachstum zurück gefunden. Seine Behörde geht davon aus, dass die Wirtschaft im letzten Quartal 2013 anzog. Zwar wollen die Statistiker die endgültigen Zahlen für Oktober bis Dezember letzten Jahres erst im Februar veröffentlichen, doch gehen sie davon aus, dass das BIP in diesem Zeitraum um rund ein viertel Prozent angestiegen ist.
So richtig konnte sich Egeler über die Zahlen, die sein Amt am Mittwoch veröffentlichte, jedoch nicht freuen. »Offensichtlich wurde die deutsche Wirtschaft durch die anhaltende Rezession in einigen europäischen Ländern und eine gebremste weltwirtschaftliche Entwicklung belastet«, so Egeler. Die starke Binnennachfrage habe dies nur bedingt kompensieren können. So ist die Wirtschaftsleistung in den letzten zehn Jahren um durchschnittlich 1,2 Prozent gestiegen. Mit den 0,4 Prozent Wachstum in 2013 unterschritt Deutschland diesen Wert nun zwei Jahre in Folge.
Auch namhafte Wirtschaftsinstitute machen die Eurokrise für das unterdurchschnittliche Wachstum verantwortlich. »Es ist kein gutes Ergebnis und zeigt, dass Deutschland sich nicht der Krise im Euroraum entziehen kann«, sagte der Direktor des gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, gegenüber »nd«. Er prognostiziert: »Solange die Eurokrise weiter schwelt, werden wir nur ein schwaches Wachstum haben.« Ähnlich äußerte sich das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): »Die Krise im Euroraum hat vor allem zum Jahresauftakt die exportabhängige Industrie belastet«, erklärte DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner.
Noch dramatischer sieht es Michael Schlecht, für den die Eurokrise 2013 in der Republik angekommen ist. »2013 schloss Deutschland mit der schlechtesten Wirtschaftsentwicklung seit zehn Jahren ab, sieht man vom dramatischen Einbruch 2009 ab«, so der Wirtschaftsexperte der LINKEN.
Deutschland ist trotz des steigenden Konsums noch immer sehr exportabhängig. Der Anteil des Außenhandels an der Wirtschaftsleistung betrug letztes Jahr 6,1 Prozent. Diese Zahl dürfte vor allem die EU-Kommission interessieren. Denn der Exportüberschuss darf laut den Gleichgewichtskriterien der Eurozone maximal sechs Prozent betragen. Deutschland überschreitet diesen Wert seit 2007. Brüssel hat deswegen im November 2013 ein Prüfverfahren gegen Berlin eingeleitet, weil es durch Deutschlands Exportstärke die Stabilität des Euros in Gefahr sieht.
Ein anderes Kriterium hat die Bundesrepublik letztes Jahr aber eingehalten: Mit einem Finanzierungssaldo von 1,7 Milliarden Euro und einer Defizitquote von 0,1 Prozent am BIP konnte der Staat einen fast ausgeglichenen Haushalt aufweisen. Damit wurde der im Vertrag von Maastricht genannte Grenzwert von maximal drei Prozent Neuverschuldung »schon das dritte Jahr in Folge deutlich unterschritten«, so Egeler.
Doch damit die Eurokrise überwunden wird, braucht es Horn und Schlecht zufolge in der Währungsunion Staaten, die Geld in die Hand nehmen und wieder kräftig investieren. »Das brauchen auch wir, weil unsere Infrastruktur leidet«, sagte IMK-Direktor Horn. Auch im letzten Jahr setzte der Staat bei seinen Bauten wieder auf Verschleiß.
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