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Sieben Tage, sieben Nächte

Wolfgang Hübner über Zeitungsarbeit

  • Lesedauer: 2 Min.

Immer wieder fragen uns Leser: Woher nehmt ihr diese scharfsinnigen Analysen und kühnen Vergleiche, diese geschliffenen Polemiken und schmeichelnden Elogen, diese knisternden Wortspiele und diabolischen Kritiken? Tja, es ist alles eine Frage der Dosierung. Lassen Sie es mich an einem Beispiel erklären: Die Redaktionsleitung wünscht einen, sagen wir mal, vernichtenden Verriss einer populärmusikalischen Veranstaltung. Dann wird ein zuständiger Redakteur aus dem Feuilleton herbeigerufen und eingehend instruiert. Aber das genügt natürlich nicht. Jetzt muss der Redakteur, der eigentlich keiner Fliege etwas zuleide tun kann, noch ins Geheimlabor geführt werden. Dort wird ihm ein spezieller Kräutertee verabreicht, der laut Hersteller »erfrischend und belebend« wirkt. Das ist natürlich eine Untertreibung; in Wahrheit handelt es sich um eine kleine neuronale Zeitbombe. Und schon nach wenigen Minuten entstehen im Gehirn des an sich harmlosen Kollegen Sätze mit dem Knalleffekt eines ordentlichen Chinaböllers.

In unserer hoch gesicherten Teekammer gibt es Sorten für jeden erdenklichen Zweck. Soll eine geschmeidige Parteikolumne verfasst werden, greifen wir gerne zu einem Sud aus der Wurzel des Süßholzes. Brauchen wir eine wohl abgewogene Betrachtung über das Wirken eines verdienten Künstlers, dann wird der Autorin ein entspannender Melissentee eingeflößt. Und wenn ein zackiger Angriff auf die Regierung erfolgen soll, nimmt der Politikredakteur eine stark durchblutungsfördernde Kanne Ingwertee ein.

So geht das. Natürlich darf nicht jeder nach Belieben an die Vorräte. Die Dosierung wird individuell exakt auf Körpergewicht, Weltanschauung und Stimmungslage des jeweiligen Kollegen abgestimmt. Einmal waren wir nicht wachsam genug: Ein Redakteur pfiff sich unbeaufsichtigt einen extrem starken schwarzen Tee aus dem asiatischen Hochgebirge (»erweckt selbst Tote wieder«) ein, der eigentlich nur für revolutionäre Situationen vorgesehen ist. In diesem Zustand kommentierte der Kollege Äußerungen des Philatelistenbundes. Nur mit Mühe konnten wir das Missverständnis aufklären und eine Selbstauflösung der Briefmarkensammler verhindern.

Weil wir unablässig an der Steigerung der journalistischen Qualität arbeiten, ist derzeit ein nd-Scout auf der Grünen Woche unterwegs, um die neuesten Designer-Teesorten zu testen und vertraglich für uns zu sichern. Wir versprechen uns eine durchschlagende Wirkung. Lassen Sie sich überraschen! wh

Anmerkung des Redaktionsleitung: Dieser Text entstand nach Einnahme einer Tasse Kamillentee (»blumig und mild«).

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