Genussrechte sind nichts für Kleinanleger
Verbraucherschützerin Dorothea Mohn verlangt von der Bundesregierung ein Werbeverbot
nd: In Sachen Prokon hat der vzbv nun Klage beim Landgericht Itzehoe eingereicht. Mit welcher Begründung?
Mohn: Prokon übt auf die Anleger in unangemessener Weise Druck aus: Diese werden aufgefordert, sich zu verpflichten, ihre Genussrechte mindestens bis Oktober zu behalten, auf Zinsen zu verzichten, etwaige Kündigungen zurückzuziehen oder noch weitere Anteile zu kaufen. Wer doch an seiner Kündigung festhält, dem wird in diesem Schreiben quasi die Schuld für eine mögliche Insolvenz in die Schuhe geschoben.
Prokon hat sich nun bei den Anlegern für sein Schreiben entschuldigt. Sind die Klage und die Kritik des vzbv damit hinfällig?
Durch die Entschuldigung ist die Wiederholungsgefahr formal nicht beseitigt. Diese Gefahr besteht nur dann nicht mehr, wenn eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wird. Dazu hat sich Prokon nicht bereit erklärt.
Laut Prokon-Angaben haben 75 300 Anleger dem Finanz- und Energieunternehmen aus Itzehoe (Schleswig-Holstein) Geld geliehen. Das Genussrechtekapital umfasst demnach insgesamt rund 1,4 Milliarden Euro. Bis Freitagmittag hatten sich laut Prokon gut 22 500 Anleger verpflichtet, ihr Genussrechtskapital von insgesamt 440 Millionen Euro nicht zu kündigen. Demgegenüber lagen Kündigungen über ein Kapital von 226,9 Millionen Euro vor.
Unterstützer der Geschäftsführung haben sich in einem Verein zusammengeschlossen. Die »Freunde von Prokon«, die aktuell rund 5000 Mitglieder zählen, sprechen sich gegen eine Kündigung der Genussrechte aus, da sie »viele gute Gründe sehen, auf eine positive weitere Entwicklung von Prokon zu setzen«, wie es in einer aktuellen Erklärung heißt. Ein Kündigungsverzicht für die kommenden Monate gebe dem Unternehmen »eine Chance, sich zu stabilisieren und zu beweisen«. In diesem Fall bestünde auch die Möglichkeit, am Ende 100 Prozent seiner Einlagen ausgezahlt zu bekommen, schreiben die »Freunde von Prokon«, die eine »nd«-Interviewanfrage unbeantwortet ließen. Laut dem Verein hätte eine Planinsolvenz Notverkäufe etwa von Windkraftanlagen unter dem Marktwert zur Folge, wodurch »nicht die gesamte Höhe der Genussrechte gedeckt werden kann und somit für jeden ein Verlust entsteht«. Kurt Stenger
Was würden Sie den Prokon-Anlegern empfehlen: abzuwarten oder ihre Genussrechte zu kündigen?
Derzeit kann niemand abschätzen, was weiter passieren wird. Die Anleger sollten sich insbesondere die Frage stellen, ob das Anlagerisiko, das sie mit ihrer Investition bei Prokon eingegangen sind, zu ihrer persönlichen Risikoneigung passt. Sollten sie das Risiko falsch eingeschätzt haben, dann spräche einiges dafür, sich von diesen Produkten zu trennen. Wobei offen ist, ob heute überhaupt noch eine Kündigung zur Auszahlung führt.
Prokon hat besonders viel Werbung für seine Finanzprodukte gemacht. Wurden Anleger korrekt über die Risiken aufgeklärt?
Mein Eindruck ist, dass Prokon die Risiken heruntergespielt hat, obwohl es sich quasi um unternehmerische Beteiligungen handelt. Derzeit schmettert das Unternehmen Kritikpunkte geradezu aggressiv zurück, unterstellt bewusste Medienkampagnen und stellt andere Produkte als besonders riskant dar.
Ganz allgemein gesprochen: Sind Genussrechte eine geeignete Anlageform für Kleinanleger?
Ich halte diese Anlageform für Kleinanleger für gänzlich ungeeignet.
Warum?
Mit Genussrechten gehen Anleger das Risiko eines Totalverlustes ein, bei einer Insolvenz erfolgt die Rückzahlung der Einlage des Genusssrechte-inhabers aber erst nach vollständiger Befriedigung aller anderen Gläubiger. Und die Anleger verzichten auf Mitspracherechte. Aus diesen Gründen sollte man eigentlich nur mit spekulativem Spielgeld reingehen. Darüber dürften nur höhere Vermögen verfügen. Für Kleinanleger, die eine Altersvorsorge oder ein kleines Vermögen aufzubauen versuchen, sind diese Produkte schlicht zu risikobehaftet und damit ungeeignet.
Bei Prokon gibt es viele Anleger, die ein Vermögen aufbauen und gleichzeitig nach ethischen Kriterien anlegen wollen, speziell im Bereich der erneuerbaren Energien. Müssen solche Anleger ein derart hohes Risiko eingehen?
Es gibt durchaus grüne Investments, die nicht im Bereich des grauen Kapitalmarktes anzusiedeln sind. So gibt es Investmentfonds, die im Segment erneuerbare Energien investieren. Im Gegensatz zu Genussrechten stellen Investmentfonds Sondervermögen dar und sind gesetzlich reguliert.
Könnten Sie einem Laien kurz erklären, was den Investmentfonds vom Genussrecht unterscheidet?
Genussrechte stellen eine direkte Beteiligung an einer bestimmten Firma dar, allerdings ohne Mitspracherecht und im Nachrang im Falle einer Insolvenz dieser Firmen. Wenn diese insolvent geht, muss man mit einem Totalverlust rechnen. Demgegenüber sammelt ein Investmentfonds das Geld der Anleger ein und investiert es in unterschiedliche Anlageformen. Worin, mit welchem Anteil, dies ist - ebenso wie der Umgang mit den Anlegern - gesetzlich geregelt. Diese Kapitalanlagegesellschaften unterstehen der Finanzaufsicht.
Solchen Pflichten unterliegt Prokon nicht. Lässt sich die Seriosität daher überhaupt beurteilen?
Bei Genussrechten wird nur der Prospekt formal geprüft, nach inhaltlicher Vollständigkeit und Kohärenz. Nicht geprüft wird die Wirtschaftlichkeit des Unternehmenskonzeptes. Auch danach gibt es keine laufende Kontrolle. Die Seriosität solcher Produkte ist für Verbraucher nur schwer einschätzbar und auch nach der Anlageentscheidung nur schwer im Blick zu behalten. Was die Seriosität von Prokon angeht, dies zu bewerten ist nun Aufgabe der Justiz. Das ist aus Verbrauchersicht aber auch nicht die Hauptkritik. Prokon wandte sich mit seiner Werbung an Kleinsparer und das mit einem Produkt, das bestenfalls für Spekulanten geeignet ist, die sich bewusst auf die Risiken einlassen. Ich sehe hier eine erhebliche Verbrauchergefährdung, die der Staat eigentlich nicht zulassen darf.
Muss also der Gesetzgeber handeln?
Ich sehe die neue Regierung in der Verantwortung, für einen besseren Anlegerschutz zu sorgen. Die wichtigste Forderung ist, dass man den aktiven Vertrieb von Produkten des grauen Kapitalmarktes nicht mehr zulässt. Kleinanleger dürfen nicht mit solcher Werbung überhäuft oder in Verkaufsveranstaltungen gelockt werden. Das Mindeste wäre aber, dass die Anbieter dieser Anlageprodukte einer stärkeren Kontrolle durch die Finanzaufsicht unterstellt werden. Es gibt ein Kapitalanlagegesetzbuch. Dann möge man dort auch alle Kapitalanlagen mit einem einheitlichen Schutzniveau für Verbraucher regulieren.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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