Ungewissheit nach der Prokon-Insolvenz
Anleger warten auf Erklärung am Nachmittag / Bundesregierung will nun schneller riskante Finanzprodukte beschränken
Berlin. Nach der Insolvenz des Windkraftfinanzierers Prokon will die Bundesregierung einem Medienbericht zufolge den Verkauf einzelner riskanter Finanzprodukte an Kleinanleger in Zukunft notfalls beschränken oder sogar verbieten. Die beteiligten Ministerien seien sich darüber einig, die Finanzaufsichtsbehörde Bafin mit einer entsprechenden Ermächtigung auszustatten, berichtete die »Süddeutsche Zeitung«. Die seit längerem laufenden Vorarbeiten würden jetzt wegen des Falls Prokon intensiviert. Zudem solle die Bafin den Verbraucherschutz bei der Prüfung von Wertpapierverkaufsprospekten stärker ins Visier nehmen.
Prokon hatte durch den Verkauf von Genussrechten an Privatkunden etwa 1,4 Milliarden Euro von rund 75.000 Anlegern eingenommen. Das Unternehmen hatte mit einer festen Verzinsung von sechs Prozent geworben und bis zu acht Prozent Zinsen ausgezahlt, konnte nach eigenen Angaben zuletzt aber keinerlei Rück- oder Zinszahlungen mehr leisten. Am Mittwoch meldete der Windparkfinanzierer Insolvenz an.
Unklar ist, wie viel vom Anleger-Geld verloren sein könnte. Das Amtsgericht Itzehoe hat den Hamburger Rechtsanwalt Dietmar Penzlin als vorläufigen Insolvenzverwalter eingesetzt. Am Donnerstag erhoffen sich Anleger und Beschäftigte der Firma Auskunft über das weitere Vorgehen von Penzlin. Am Nachmittag ist um 14.30 Uhr auf dem Prokon-Firmengelände eine Pressekonferenz geplant.
Der Insolvenzverwalter hatte zuvor bereits angekündigt, dass der Geschäftsbetrieb zunächst ohne Einschränkungen weiterläuft. Löhne und Gehälter der Mitarbeiter könnten drei Monate lang aus dem Insolvenzgeld finanziert werden. Das Unternehmen selbst stellte in Aussicht, sein Geschäftsmodell verändern zu wollen. »Wir sind nach wie vor operativ gut aufgestellt und sind zuversichtlich, dass wir die aktuellen Schwierigkeiten überstehen werden«, hieß es nach Bekanntgabe der Insolvenzantrages. Gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter und im Dialog mit den Anlegern »werden wir alles daran setzen, die Zukunftsfähigkeit von Prokon zu sichern«.
Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) hatte betont, die Prokon-Insolvenz biete auch eine Chance. »Wir haben als Land das Interesse, dass die produzierenden Teile fortgeführt werden«, sagte Meyer. Es werde noch in dieser Woche Gespräche mit allen Akteuren in Itzehoe geben.
Prokon hatte am 10. Januar auf seiner Homepage seine 75 000 Anleger aufgerufen, ihr Geld vorerst nicht aus der Firma zu ziehen und Kapitalkündigungen zurückzunehmen. Anderenfalls drohe eine Insolvenz. Kürzlich hatte das Unternehmen mitgeteilt, 227 Millionen Euro von 1,4 Milliarden Euro an Genusskapital seien gekündigt worden. Um eine Insolvenz zu verhindern, hätten laut Prokon 95 Prozent des Kapitals vorerst in der Firma bleiben müssen. Agenturen/nd
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