Leichtsinn und Politik-Versagen
Die Pleite des Windanlagen-Finanzierers Prokon ist ein Lehrstück für riskante »grüne« Geldanlagen
Der geschäftsführende Gesellschafter von Prokon, Carsten Rodbertus, hatte beim Amtsgericht Itzehoe die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Prokon Regenerative Energien GmbH beantragt. Das Gericht bestellte Dietmar Penzlin zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Hauptaufgabe des Hamburger Rechtsanwalts ist es zu prüfen, ob ein Insolvenzgrund wie etwa die drohende Zahlungsunfähigkeit überhaupt vorliegt und ob genügend Substanz vorhanden ist, um das Unternehmen eventuell weiterzuführen. Danach entscheidet das Gericht, ob ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Ansonsten würden die Geschäfte »normal« weitergeführt.
Vor allem die 1300 Beschäftigten können hoffen. Schließlich hat Prokon Substanz zu bieten und betreibt nach eigenen Angaben 52 Windparks - verlässliche Zahlen über deren Wert liegen allerdings nicht vor. Für die 480 Mitarbeiter der Prokon Regenerative Energien GmbH werden die Gehälter zunächst bis Ende April auf dem Wege des Insolvenzgeldes von der Bundesagentur für Arbeit finanziert. Andere Bereiche wie die Prokon Pflanzenöl GmbH, die in Magdeburg Agrardiesel und Pflanzenöl herstellt, sind von dem Insolvenzantrag nicht betroffen.
Sorgen um ihr Geld machen sich gut 75 000 Anleger. Sie haben Genussrechte mit einer Gesamtsumme von 1,4 Milliarden Euro gezeichnet. Diese Anlageform gilt als besonders riskant, denn Genussscheine werden in einer Insolvenz »nachrangig« behandelt: Die Anleger erhalten erst Geld zurück, wenn alle anderen Gläubiger wie Banken, Lieferanten, Finanzämter, Sozialversicherungen und Mitarbeiter ausgezahlt sind. Anleger können zunächst nur abwarten, bis sich der Insolvenzverwalter bei ihnen meldet. Dieser teilte mit, dass Zins- oder Rückzahlungen an Genussrechteinhaber während des vorläufigen Insolvenzverfahrens ausgeschlossen sind.
Jahrelang hatten Verbraucherschützer gewarnt, das Prokon-Modell erinnere an ein Schneeballsystem. Anleger wurden trotz allgemeiner Niedrigstzinsen in teuren Werbekampagnen mit üppigen Renditeversprechen von sechs bis acht Prozent gelockt. Solange genügend neue Anleger hinzukamen, konnte die Geschäftsführung in Itzehoe ihre Versprechen erfüllen. Spätestens im November 2013 war dies offensichtlich nicht mehr der Fall.
Wenn nicht Schneeballsystem, dann doch ökonomischer Leichtsinn: Die Geschäftsführung um den charismatischen Chef Rodbertus finanzierte mit kurzfristigem Geld - Genussrechte waren binnen eines Monates kündbar - langfristige Investitionen in Windkraftanlagen. Wenn sich viele Anleger von ihren Papieren trennen, fehlen flüssige Mittel. Rodbertus räumte mittlerweile Fehler ein.
Üppige Renditeversprechen für unternehmerische Beteiligungen, wozu auch Genussrechte zählen, gelten unter Experten als riskant. In der Vergangenheit hatten Gläubiger bei ähnlichen Spekulationsmodellen auf hohe Millionenbeträge verzichtet, um eine Pleite abzuwenden. So sahen bei diversen Schiffsbeteiligungen über 90 Prozent der Investoren von einer Kündigung ab. Bei Prokon sollen sich rund 40 000 Anleger verpflichtet haben, ihre Genussrechte über rund 800 Millionen Euro nicht zu kündigen.
Verbraucherschützer kritisieren seit Langem ein Politik-Versagen. Trotz Gesetzen, die den grauen Markt eindämmen sollen, sind gerade Umweltinvestments in Wind, Sonne und Wälder unzureichend reguliert. So warb Prokon mit Superrenditen für eine »rundum sichere Sache«, ohne dass dies von der Finanzaufsicht Bafin beanstandet wurde. Diese prüfe Verkaufsprospekte lediglich auf Vollständigkeit und Verständlichkeit, nicht auf Seriosität, kritisieren die Verbraucherzentralen.
In der Vergangenheit kam es in der Grün-Geld-Szene immer wieder zu größeren Pleiten: vom Vorreiter, der Ökobank - sie wurde 2003 von der GLS Gemeinschaftsbank übernommen -, über die Göttinger Gruppe bis hin zu Windreich, einem Projektentwickler von Meerwindparks.
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