Krisentreffen in Kiew enttäuscht Opposition

Janukowitsch bietet Freilassung von Demonstranten und Pufferzone an / Klitschko: Staatschef hat Rücktritt abgelehnt / Pfiffe der Protestierenden 


  • Lesedauer: 3 Min.

Kiew. Führende ukrainische Oppositionelle haben sich enttäuscht über das Ergebnis eines vierstündigen Krisengesprächs mit Präsident Viktor Janukowitsch geäußert. Der Staatschef habe sowohl den eigenen Rücktritt als auch den des Kabinetts abgelehnt, sagte Oppositionspolitiker Vitali Klitschko am Donnerstagabend vor zehntausenden Regierungsgegnern auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew. Janukowitsch versuche seine Gegner stattdessen mit einem Gegenangebot zu besänftigen, hieß es. Krawalle gab es in der Nacht zum Freitag nicht.

»Das einzige, was wir bei unserem Treffen mit Janukowitsch erreicht haben, ist das Versprechen, alle Demonstranten freizulassen«, sagte Klitschko, der wie andere Oppositionsführer von der Menschenmenge mit Pfiffen und »Schande!«-Rufen bedacht wurde. »Ein Machtwechsel ohne Blutvergießen ist immer noch möglich«, schob der frühere Boxprofi hinterher.

Laut dem Oppositionspolitiker Oleg Tiagnibok forderte Janukowitsch den Rückzug der Protestbewegung aus der Gruschewski-Straße in der Innenstadt, an der unter anderem das Parlamentsgebäude und der Regierungssitz liegen. Dort war es seit Sonntag zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten gekommen, bei denen mehrere Menschen getötet und unzählige verletzt wurden. Im Gegenzug habe der Präsident angeboten, die Einsatzkräfte auf Abstand zum zentralen Protestlager auf dem Unabhängigkeitsplatz einzurichten, sagte Tiagnibok. Das Innenministerium bestätigte beide Vorschläge Janukowitschs.

Arseni Jazenjuk von der Vaterlands-Partei der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko hatte nach dem Krisentreffen mit Janukowitsch zwar zunächst von einer »sehr großen Chance« gesprochen, »das Blutbad zu beenden«. Die Äußerungen seiner Mitstreiter klangen jedoch weit weniger optimistisch. Offen blieb zudem, ob die Gespräche zwischen den Konfliktparteien überhaupt fortgesetzt werden.

Janukowitsch hatte vor der Verhandlungsrunde erstmals Entgegenkommen signalisiert und eine Sondersitzung des Parlaments beantragt. Am kommenden Dienstag soll dabei über die Rücktrittsforderungen der Opposition und eine Rücknahme der jüngst verschärften Demonstrationsbeschränkungen beraten werden. Unklar ist, ob auch vorgezogene Präsidentschaftswahlen auf der Tagesordnung stehen werden.

»Janukowitsch versucht jetzt, mit einem Misstrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten in der nächsten Woche auf Zeit zu spielen«, schrieb Klitschko in einem neuen Gastbeitrag für die »Bild«-Zeitung (Freitagsausgabe). »Es wird ihm nicht gelingen. Ohne Neuwahlen werden wir nicht aufhören zu demonstrieren.«

Janukowitschs Rücktritt gehört zu den Kernforderungen der Opposition, weil er sein Land vom proeuropäischen Kurs abgebracht und sich stärker Russland zugewendet hat. Dass sich die Regierungsgegner nicht mit Lippenbekenntnissen zufrieden geben dürften, machten sie am Donnerstag einmal mehr deutlich: In einem halben Dutzend westukrainischer Provinzen stürmten Demonstranten die Gebäude der Regionalverwaltungen.

In Kiew blieb die Lage in der Nacht zum Freitag angesichts des politischen Schwebezustands ruhig. Sowohl die Polizei als auch die Regierungsgegner hielten Sicherheitsabstand zueinander. Der Protest werde mit friedlichen Mitteln weitergeführt, betonte Jazenjuk am Abend. Allerdings gab er sich auch kämpferisch: »Wir werden nicht einen Schritt zurückweichen.« AFP/nd

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