Aus China nach Thüringen

Sozialverbände skeptisch zu Pflegekräfte-Projekt

  • Lesedauer: 3 Min.

Erfurt. Die Thüringer Sozialverbände sehen den geplanten Einsatz von Pflegekräften aus China eher skeptisch. Im Vergleich zu anderen Bundesländern sei die Bezahlung des Pflegepersonals in den Einrichtungen im Freistaat niedriger, sagte der Sprecher der Diakonie Mitteldeutschland, Frieder Weigmann, der dpa. Deshalb würden neuangeworbene chinesische Pflegekräfte Thüringen vermutlich nur als Durchgangsstation nutzen und schnell einen besser bezahlten Job in Hessen oder Bayern sowie im EU-Ausland finden. Auch die im Paritätischen Thüringen organisierten Alten- und Pflegeheime sehen in der Anwerbung von chinesischen Altenpflegern keine alleinige Lösung des Fachkräfteproblems.

»Wir verschließen uns nicht den ausländischen Fachkräften und sind offen dafür«, sagte die Beraterin im Pflegebereich des Paritätischen, Nicole Walther. Sie fügte hinzu: »Wir haben uns aber auch noch nicht auf den Weg gemacht.« Ihr Verband setze verstärkt auf die Aus- und Weiterbildung von Jugendlichen und Pflegehilfskräften in Thüringen. Immerhin gebe es Einrichtungen in Gera und Erfurt, die polnische und spanische Pflegekräfte einsetzen. Allerdings habe sich dabei gezeigt, dass die sprachlichen Barrieren doch sehr groß seien. »Es ist sehr anstrengend, die Leute in ihren Heimatländern auf ihre Arbeit in Deutschland vorzubereiten«, fügte Walther hinzu.

Mit Blick auf die Abwanderung von Fachpersonal aus Thüringen nach Bayern oder Hessen sagte Walther, dass auch Jobs in der Krankenpflege besser als in der Altenpflege bezahlt würden und Mitarbeiter schnell ihren Arbeitsplatz wechselten. »Das ist eine Bewegung, die nicht gesund ist«, betonte sie.

Stefan Werner, Sprecher des Paritätischen, verwies darauf, dass es in China und auch in den osteuropäischen Ländern ebenfalls ein demografisches Problem gebe. Daher unterstütze der Paritätische aus ethischen Gründen nicht die Abwerbung von Mitarbeitern aus diesen Ländern. Allerdings sei man sehr interessiert an einem Erfahrungsaustausch.

Die Arbeiterwohlfahrt Thüringen (AWO) nimmt nach Angaben von Sprecher Dirk Gersdorf hingegen bereits an einem Pilotprojekt mit chinesischen Fachkräften teil. Diese würden derzeit in China auf ihren Einsatz in einem Pflegeheim in Suhl vorbereitet. Dazu gehörten ein Deutsch-Kurs sowie eine allgemeine Schulung. Vermutlich im Sommer würden sie in Thüringen eingesetzt. Ein entsprechendes Projekt der AWO mit Pflegern aus Osteuropa läuft in diesem Jahr aus. Dabei waren mehrere Pfleger aus dem Baltikum in Thüringen beschäftigt.

In Thüringen ist der Bedarf an Pflegekräften besonders hoch. Jede zehnte Stelle müsse laut einer Studie bis 2015 neu besetzt werden, sagte Werner. So würden 2440 Jobs wegen des höheren Pflegebedarfs und des altersbedingten Ausscheidens von Mitarbeitern frei. Insgesamt arbeiten rund 20 000 Menschen im Freistaat im Pflegebereich.

Seit dem Sommer vergangenen Jahres gibt es hier den sogenannten Pflegepakt, in dem die Sozialverbände gemeinsam mit der Politik nach Lösungen für den Fachkräftemangel suchen. So wurde die Ausbildungszeit für ungelernte Pflegehilfskräfte verkürzt. Auch soll es in diesem Jahr eine Imagekampagne für den Beruf geben. Der Paritätische sei hier sehr in die Diskussion eingebunden, sagte Sprecher Werner. Konkrete Ergebnisse lägen aber noch nicht vor. Eines der großen Probleme, so Werner, sei weiterhin die vergleichsweise niedrige Bezahlung der Fachkräfte im Freistaat. dpa/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.