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Der stressigste Freitag des Winters

Heute geht die Transferperiode im Profifußball zu Ende. Für die Bundesligamanager birgt der Tag eine Menge Chancen, wenn beispielsweise in England groß gewechselt wird

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.
Bis 18 Uhr muss jeder Spielerwechsel innerhalb der DFL vollzogen sein. Gut, wenn das Faxgerät heute nicht streikt.

Ausschließen will Michael Reschke nichts. Warum auch? Gerade zum Ende der Transferfrist ergeben sich Optionen, ereignen sich Szenarien, kommen Varianten ins Spiel, die auch einen erfahrenen Kaderplaner noch einmal nachdenken lassen. »Situationen können sich sehr schnell ändern, auch wenn man eine Strategie verfolgt und seine Hausaufgaben eigentlich erledigt hat«, sagt der Mann, der bei Bayer Leverkusen bereits seit zehn Jahren aus dem Hintergrund die Transferpolitik steuert. Und der 56-Jährige weiß: »Am Ende kann doch noch eine Lösung herauskommen, die man gar nicht auf dem Zettel hatte. Speziell große Transfers in England lösen oft diesen Dominoeffekt aus.« An diesem Freitag sollte man sich besser nicht viel vornehmen: bei den Managern, die sich vor hektischen Anrufen kaum retten können. Und genauso bei den Agenten, die sich flugs noch eine Geheimnummer zulegen.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Christian Heidel im Geschäft. Der Macher beim FSV Mainz erinnert sich noch gut, als die Geschäftsstelle von Faxen geflutet wurde. Die Zeiten seien glücklicherweise vorbei. »Das meiste läuft heute über E-Mails oder SMS.« Am Anfang des Monats waren es rund 20 täglich, nun ist die Tendenz stark steigend. »Gerade aus dem Ausland bekommt man sehr viele Angebote«, erzählt Thomas Eichin, der Manager vom SV Werder, »pro Tag 50 bis 80 Spieler, unglaublich.« Und selbst der Zweitliga-Sportdirektor Uwe Stöver vom FSV Frankfurt berichtet »von bis zu 80 E-Mails.« Einer wie Heidel öffnet viele schon gar nicht mehr: »Wenn mir wieder fünf Innenverteidiger angeboten werden, obwohl ich keinen suche, lese ich das gar nicht mehr.«

Seit 2003/2004 gibt es die Transferperiode II, die vom 1. bis zum 31. Januar den Klubs ein zweites Mal erlaubt, Spieler zu verpflichten. Davon macht die Bundesliga rege Gebrauch. Im Schnitt leisteten sich die 18 Erstligisten in dieser Phase 36 Zugänge bei gleichzeitig 50 Abgängen. Es ging also vielerorts eher darum, den Kader zu verkleinern statt zu vergrößern. Trotzdem gaben die Klubs unter dem Strich zumeist mehr Geld aus, als sie einnahmen.

Der globalisierte Transfermarkt bildet ein gigantisches Wachstumssegment: Der Weltverband FIFA gab am Mittwoch bekannt, dass das Volumen der internationalen Transfers im vergangenen Jahr um 41 Prozent auf 2,71 Milliarden Euro gestiegen ist. Weltweit wurden 2013 stolze 12 309 Wechsel abgewickelt. Auch das Interesse am Wechselfieber nimmt zu. Aktuell verzeichnet die Plattform www.transfermarkt.de rund 1,5 Millionen Besucher am Tag. Je näher das Fristende rückt, desto mehr Bewegung kommt noch in den Markt. In Deutschland offen einsehbar auf der Transferliste. Dieses Tool auf der Bundesliga-Homepage gibt jederzeit einen Überblick über wechselwillige Akteure. Nur wer hier bis Freitag 12 Uhr gelistet ist, kann wechseln. Bis um 18 Uhr nimmt die Deutsche Fußball Liga (DFL) die Transferunterlagen innerhalb der Landesgrenzen entgegen. Entweder im Original, als Fax oder als E-Mail.

Beinahe legendär ist ja jene Episode, in der vor drei Jahren der Wechsel des heutigen Mainzers Eric-Maxim Choupo-Moting vom Hamburger SV zum 1. FC Köln nicht zustanden kam, weil im Hause Choupo-Moting das Faxgerät streikte. Erst um 18.11 Uhr trafen die Unterlagen ein. Zu spät. »Die Fristen müssen eingehalten werden«, sagt Andreas Nagel. Beim DFL-Direktor Spielbetrieb gehen seit mehr als zehn Jahren die Unterlagen ein. Neben dem Mustervertrag hat ein Lizenzspieler heutzutage noch mehrere Erklärungen zu unterschreiben; nicht zeitkritisch sind am letzten Tag allein die Sporttauglichkeitsuntersuchung und die Spielervermittlervereinbarung. Jeder Transfer produziert mindestens 25 Seiten Papier - die Umstellung aufs elektronische Archiv befindet sich in Vorbereitung.

Internationale Transfers können bis Mitternacht abgewickelt, sie laufen über die von der FIFA eingeführte online-basierte Applikation ITMS (»International Transfer Matching System«), an die 6000 Klubs in 209 Ländern angeschlossen sind. Und übrigens auch 6000 Spielervermittler. Und doch kommt es immer wieder zu Unstimmigkeiten. Dass dafür die FIFA eine Mittlerrolle einnehmen könnte, wie zuletzt aus Zürich vorgeschlagen wurde, entlockt dem Vorsitzenden der DFL-Geschäftsführung Christian Seifert indes nur ein Kopfschütteln. »Ich glaube, die FIFA hat viel dringendere Probleme, als sich auch noch darum zu kümmern.«

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