Versicherte sparen für den Bund
Berlin. Mit der geplanten Finanzreform für die gesetzliche Krankenversicherung dürfte der Bund bis 2018 fast fünf Milliarden Euro sparen, weil pauschale Zusatzbeiträge und der dafür vorgesehene Sozialausgleich aus Steuermitteln wegfallen. So spart der Bund ab 2015 jährlich steigende Beträge - bis zu 2,1 Milliarden Euro im Jahr 2018. Zudem erwartet man Entlastungen für die Krankenversicherung von Arbeitslosengeld-II-Beziehern.
Geplant ist eine Senkung des Beitragssatzes von 15,5 auf 14,6 Prozent. Der alleine von den Kassenmitgliedern getragene Anteil von 0,9 Punkten soll entfallen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen künftig jeweils die Hälfte - 7,3 Prozent - tragen. So entsteht eine Lücke von rund 11 Milliarden Euro. Zur Deckung sollen die Kassen vom Einkommen abhängige, prozentuale Zusatzbeiträge von ihren Mitgliedern nehmen. Für 2015 wird mit Entlastungen vieler Beitragszahler gerechnet. Danach erwarten Experten wegen steigender Kassenausgaben Zusatzbeiträge von mindestens 1,5 Prozent des Einkommens in wenigen Jahren. Versicherte müssen diese den Plänen zufolge allein tragen. Forderungen aus der SPD, diese Mehrbelastungen zu begrenzen, sind nicht berücksichtigt.
70 Millionen Menschen sind in 132 Kassen gesetzlich krankenversichert. 1990 waren es nach Angaben des Internetportals krankenkassen.de noch über 1000 Krankenkassen.
Der einheitliche Beitragssatz der Krankenkassen wird seit dem Start des Gesundheitsfonds im Jahr 2009 von der Bundesregierung festgelegt. Zuletzt wurde er am 1. Januar 2011 geändert. Der Krankenkassenbeitrag liegt seitdem bei 15,5 Prozent des Bruttoeinkommens. Eine Veränderung in der Zukunft ist nicht mehr geplant: Künftige Kostensteigerungen im Gesundheitswesen sollen allein über Zusatzbeiträge der Krankenkassen finanziert werden.
In den Gesundheitsfonds fließen alle Einnahmen der Krankenkassen von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und dem Bund, der beispielsweise Mittel für gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern zur Verfügung stellt.
Der Krankenkassenbeitrag wird zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgeteilt. Arbeitnehmer zahlen mit 8,2 Prozent eine höhere Summe als Arbeitgeber mit 7,3 Prozent.
Sofern Zusatzbeiträge verlangt werden, müssen diese allein vom Krankenkassenmitglied getragen werden. Dadurch kann der Krankenkassenbeitrag steigen. Seit 2011 können Krankenkassen Zusatzbeiträge in unbegrenzter Höhe verlangen. Derzeit erhebt aber keine Kasse einen Zusatzbeitrag.
Die Gesetzliche Krankenversicherung beruht auf dem Prinzip der Solidarität: Jeder Versicherte einer gesetzlichen Krankenkasse hat Anspruch auf alle notwendigen Behandlungen - unabhängig vom Beitrag. Familienangehörige sind kostenfrei mitversichert.
Bei den besonderen Leistungen, Bonus- und Wahltarifen sowie beim Service gibt es Unterschiede zwischen einzelnen gesetzlichen Krankenkassen. Außerdem bieten die Krankenkassen eigene Tarife an: Wer gesund ist und selten zum Arzt geht, kann mit Wahltarifen Geld sparen. nd
Die soziale Schieflage des Gesundheitssystems werde somit weiter verschärft, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Harald Weinberg. Seine Grünen-Kollegin Maria Klein-Schmeink monierte: »Die Versicherten zahlen die Zeche.« Ohne Begrenzung nach oben würden die Extrabeiträge auch für niedrige Einkommen schnell eine empfindliche Höhe erreichen.
Der Vorsitzende der Sozialministerkonferenz, der rheinland-pfälzische Arbeits- und Gesundheitsminister Alexander Schweitzer (SPD), warnte: »Das Vorhaben, den Anstieg der Sozialabgaben ohne Begrenzung allein den Beschäftigten zuzumuten, ist unsozial, ungerecht und liefe den Berliner Gesprächsergebnissen zuwider.« dpa/nd
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