Internetpartei bombt sich vom Netz

Techniker schalten aus Protest Online-Infrastruktur der Piratenpartei ab

  • Fabian Köhler
  • Lesedauer: 1 Min.
Die Selbstzerfleischung der Piratenpartei nimmt immer skurrilere Züge an: Am Freitag traten die Techniker der Partei in einen »Warnstreik« und schalteten mehrere Websites, Chats und das Wiki der Partei ab.

Berlin. Im sogenannten #orgastreit der Piratenpartei haben sich nun die Systemadministratoren und Techniker der Partei zu Wort gemeldet. In der Nacht zum Freitag riefen sie einen »Warnstreik« aus und schalteten unter anderem Mailinglisten, Video- und Audiochats, die Etherpads sowie das Wiki der Partei ab. Damit ist die Internetpartei nun zu einem großen Teil offline.

An Stelle der Websites erscheint nun ein Protestschreiben der Techniker. In diesem heißt es unter anderem: »Wir hatten einen Deal: Wir halten euch den Rücken frei von Verwaltungskram und ihr macht gute Politik. Dieser Deal wurde einseitig gekündigt.« Die rund 50 Streikenden fordern unter anderem »eine Diskussionskultur ohne Mobbing, Drohungen und Hetzjagden« und eine »Distanzierung von Aktionen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen.«

Der momentane Streit in der Partei geht zurück auf eine Aktion am 13. Februar in Dresden, an der die Piraten-Europawahl-Kandidatin Anne Helm beteiligt gewesen sein soll. Im Stil einer Femen-Aktion hatten sich zwei Frauen mit nackten Oberkörper und dem Slogan »Thanks Bomber Harris« für die Bombardierung Dresdens bedankt. Der in der Szene der Antideutschen beliebte britsche Luftwaffengeneral Arthur Harris gilt als einer der Hauptverantwortlichen für die Flächenbombardements deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg.

Bei der Aktion soll auch die Berliner Piratin Mercedes Reichstein mit dabei gewesen sein, der vorgeworfen wird, im Rahmen einer Femen-Aktion am 7. Februar in Berlin einen Molotow-Cocktail auf die russische Botschaft geworfen zu haben.

Unter dem Hashtag #bombergate (auch #orgagate #orgastreit #nixgate) laufen seitdem via Twitter heißblütige Diskussionen um die politische Ausrichtung der Partei, die teils in Parteiaustritten und Morddrohungen gipfelten.

Das Ziel, die an der Auseinandersetzung beteiligten Akteure zu mäßigen, werden die Techniker wohl auch nicht erreichen: Auf der noch nicht vom Netz gegangenen Website der »Jungen Piraten« warf die Jugendorganisation den Technikern »Erpressung« und einen Verstoß gegen »demokratische Grundsätze« vor. Dem Appell der Systemadmistrationen, eine Weile auf Twitter zu verzichten, stellten sie das Angebot, ihre IT-Infrastruktur zu nutzen, entgegen. Dennoch ist die Diskussion um #bombergate und #orgastreit in Folge des Appells etwas abgeflaut. Stattdessen zerlegt sich die Partei nun unter dem Hastag #orgastreik.

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