Verlogene Hafenidylle
Hamburger wollen Schweigen über Waffenexporte beenden
Der Hamburger Hafen ist ein Pulverfass. Rund 1000 Container mit Patronen, Raketen, Torpedos und anderer Munition werden hier jährlich verschifft. Diese Zahl konnte bereits im vergangenen Jahr auf Basis der Antwort des SPD-Senats auf eine Kleine Anfrage der LINKE-Bürgerschaftsfraktion ermittelt werden.
Nun wollen friedensbewegte Hanseaten handeln. Christoph Störmer, Hauptpastor der Kirche St. Petri in der Hamburger City, hat zusammen mit dem Reeder und Mäzen Peter Krämer das »Hamburger Bündnis gegen Waffenexporte« ins Leben gerufen. Es »will die Rüstungsexporte in Krisengebiete ausbremsen und ruft alle Fraktionen der Hamburger Bürgerschaft auf, sich dem Thema in einer offenen Debatte zu stellen«. Als weiteres Ziel gibt die Initiative an, dass »der Hamburger Senat alle Waffenexporte und Zielländer offenlegen« solle.
Über die Adressaten der tödlichen Fracht, die von der Waterkant in die ganze Welt versendet wird, schweigt sich der Senat nämlich ebenso aus wie über ihr Gesamtvolumen. Erst recht lehnt er die Herausgabe der Nummern der Waffencontainer ab. Als Begründung für die Geheimhaltung werden die »aktuelle internationale Sicherheitslage« und die Gefahr terroristischer Anschläge angeführt - seit Jahren das Standardargument gegen Transparenz und Mitbestimmung.
Für ihren Vorstoß haben Störmer und Krämer renommierte Unterstützer, wie Erzbischof Werner Thissen, Filmregisseur Fatih Akin oder die Schauspieler Nina Petri, Rolf Becker und Peter Lohmeyer, gewinnen können. Mit dabei ist auch der Hamburger Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Jan van Aken, der unlängst die bittere Wahrheit ans Tageslicht beförderte, dass im syrischen Bürgerkrieg Panzerabwehrraketen aus deutsch-französischer Produktion eingesetzt werden.
Die in dem Bündnis zusammengeschlossenen Kriegsgegner haben eine Petition mit dem Titel »Kein Export von Gewalt über den Hamburger Hafen« unterzeichnet, die der Hamburgischen Bürgerschaft vor ihrer nächsten Sitzung am 26. Februar übergeben werden soll.
Peter Krämer, der 2003 aus Anlass des »völkerrechtswidrigen Krieges der USA gegen den Irak« die »Hamburger Gesellschaft zur Förderung der Demokratie und des Völkerrechts« gegründet hatte, fordert, dass ein Rüstungsexportverbot ins Grundgesetz aufgenommen wird. Auch wenn Helmut Schmidt (noch) nicht unterschrieben hat - einen schlagkräftigen Mitstreiter hat seine Initiative mit dem prominentesten Hanseaten dennoch: »Wir haben in Wirklichkeit niemanden genützt dadurch, dass wir unsere Soldaten nach Afghanistan geschickt und dann dort auch Soldaten verloren haben. Aber ich halte es für abwegig, statt Soldaten Waffen zu schicken«, hatte der Altkanzler an seinem 95. Geburtstag im Dezember gesagt. »Es ist an der Zeit, Einspruch zu erheben.«
Christoph Störmer verweist auch auf die mittelbaren Folgen der aggressiven Rüstungsexportpolitik deutscher Bundesregierungen. Eine davon ist die prekäre Situation der 300 Lampedusa-Flüchtlinge, die Anfang 2013 nach einer Odyssee aus dem Kriegsgebiet Libyen Hamburg erreichten und denen bis heute ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht verweigert wird. »Durch das Tor zur Welt wird der Tod exportiert, aber von der anderen Seite werden die Menschen nicht reingelassen«, erklärte Störmer gegenüber »nd«. Bisher erfahre seine Initiative »guten Zuspruch« aus der Bevölkerung. Aber es gebe auch Ablehnung. Der ehemalige Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) beispielsweise will von einer Unterstützung der Rüstungsgegner nichts wissen. 10 000 Unterschriften brauchen die Petenten, um der Bürgerschaft ihr Anliegen vortragen zu können.
Dass es mit Unterschriften allein ohnehin nicht getan sein wird - das ist Pastor Störmer bewusst. Er denkt bereits laut über Sitzblockaden und andere Aktionen zivilen Ungehorsams nach. Mehr als dass er den nächsten Hafengeburtstag für keine ungeeignete Plattform für Proteste gegen den Rüstungswahn hält, will er aber noch nicht sagen.
Zur Petition: https://www.openpetition.de/petition/online/hamburger-buendnis-gegen-waffenexporte
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.